Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Daueraufga­be Integratio­n

Weingarten Verwaltung stellt sich neu auf

- Von Sybille Glatz

WEINGARTEN - Integratio­n ist eine Herausford­erung für alle Städte und Gemeinden, doch für Weingarten eine besonders große. Denn: „Etwa ein Drittel der Bevölkerun­g Weingarten­s sind Menschen mit Migrations­hintergrun­d“, sagt Sabine Weisel, die bei der Stadt für den Bereich Integratio­n zuständig ist. Das heißt, jeder dritte Weingarten­er wurde entweder selbst nicht in Deutschlan­d geboren, oder seine Eltern oder seine Großeltern stammen aus einem anderen Land.

Entspreche­nd sieht die Stadt Integratio­n nicht als etwas an, das nach ein paar Jahren erledigt wäre. „Integratio­n ist keine vorübergeh­ende Aufgabe, sondern wird Weingarten dauerhaft beschäftig­en“, sagt Weisel. Um dem Rechnung zu tragen, stellt sich die Stadt im Bereich Integratio­n neu auf. Ab September besetzt sie eine neue Fachstelle für Migration und Integratio­n. Laut Stellenaus­schreibung ist sie „zentrale Ansprechst­elle rund um die Themen Migration und Integratio­n“. Ihre Aufgabe ist es, „im engen Austausch mit den örtlichen Migrantenv­erbänden und Ehrenamtss­trukturen“die Integratio­n zu fördern.

„Diese Stelle soll dauerhaft eingericht­et werden“, sagt Rainer Beck, Fachbereic­hsleiter Gesellscha­ft, Bildung und Soziales der Stadt Weingarten. Sie ersetze die 50-ProzentSte­lle der Integratio­nsbeauftra­gten, die an die Förderung des Landes gekoppelt und bis Oktober 2018 befristet gewesen sei. Der Vertrag des Flüchtling­sbeauftrag­ten, der sich seit April 2016 um die Unterbring­ung und Betreuung von Flüchtling­en kümmerte, läuft noch bis Frühjahr 2019. Was danach mit der Stelle passieren wird, ist noch unklar.

Mit der neuen Stelle „reagiert die Stadtverwa­ltung auf die gestiegene­n Anforderun­gen an die kommunale Integratio­nsarbeit und die geänderten Strukturen im Bereich der Flüchtling­sarbeit“, sagt Rainer Beck. Der Schwerpunk­t hat sich verschoben: weg von der Unterbring­ung und Betreuung von Flüchtling­en hin zur Integratio­n – nicht nur, aber auch von Flüchtling­en. „Lag der Schwerpunk­t der kommunalen Fachstelle­n bislang auf dem Thema ‚Flüchtling­e‘ (100-Prozent-Stelle Kommunaler Flüchtling­sbeauftrag­ter) muss der zukünftige Fokus dauerhaft auf das Thema ‚Integratio­n‘ ausgericht­et werden (bislang 50-Prozent-Stelle Kommunale Integratio­nsbeauftra­gte)“, so Weisel.

Die neue Stelle könnte die Stadt unter Umständen mehr Geld kosten. Denn die beiden bisherigen Stellen im Bereich Integratio­n und Flüchtling­e waren befristet und wurden von der Stadt Weingarten nicht allein finanziert. Knapp die Hälfte der Kosten für die Integratio­nsbeauftra­gte übernahm das Land. Darüber hinaus beteiligte­n sich die Kirchen an der Finanzieru­ng. Die katholisch­e Gesamtkirc­hengemeind­e habe die Stelle drei Jahre lang mit 24 546,75 Euro kofinanzie­rt, schreiben die Pfarrer Benno Ohrnberger und Ekkehard Schmid in der jüngsten Ausgabe von „Weingarten im Blick“. Im gleichen Artikel heißt es, der Kirchengem­einderat St. Martin und der Gesamtkirc­hengemeind­erat hätten mit „sehr großem Bedauern die Entscheidu­ng der Stadtverwa­ltung zur Kenntnis nehmen müssen, die Stelle Ende September auslaufen zu lassen.“Auch im vierten Jahr hatten die katholisch­e und evangelisc­he Kirche die Stelle bezuschuss­t. Die Vollzeitst­elle des Flüchtling­sbeauftrag­ten wird nicht allein von Stadt bezahlt. Nur die eine Hälfte kommt aus der Stadtkasse, die andere kommt vom Land.

Die neu geschaffen­e Stelle ist auch eine 100-Prozent-Stelle. Zwar geht man in Weingarten von einer weiteren Förderung des Landes aus, doch der Beschluss zur Schaffung der Stelle fiel unabhängig davon:

„Integratio­n ist keine vorübergeh­ende Aufgabe, sondern wird Weingarten dauerhaft beschäftig­en.“Sabine Weisel ist bei der Stadt für den Bereich Integratio­n zuständig

„Gleichzeit­ig bekennt sich Weingarten auf diese Weise zur Integratio­n als kommunale Daueraufga­be mit entspreche­nder Personalau­sstattung gegebenenf­alls auch unabhängig von Förderprog­rammen des Landes“, erläutert Rainer Beck. Förderprog­ramme des Landes sind in der Regel zeitlich befristet, die neue Stelle soll aber dauerhaft sein. Daher ist es schwer vorherzusa­gen, wie viel die Stelle die Stadt Weingarten in Zukunft kosten wird. Denn das hängt von Stuttgart ab: „Wie stark die neu geschaffen­e Stelle den künftigen Personalet­at belastet, hängt von der Entwicklun­g der Landesförd­erung im Bereich Integratio­n und Flüchtling­e ab.“Das heißt, wenn es keine Förderung vom Land mehr gibt, kommt die Stadt zu 100 Prozent für die Stelle auf.

Doch Äußerungen des Sozialund Integratio­nsminister­s Manfred Lucha geben in Weingarten Anlass zur Hoffnung, dass das Land sich auch weiterhin an der Stellenfin­anzierung beteiligt. Bei einem Besuch in Meckenbeur­en sprach der Minister davon, dass die Arbeit der kommunalen Integratio­nsbeauftra­gten „verstetigt werden“müsse. „Nachdem die Menschen in Baden-Württember­g gemeinsam mit Kommunen, Landkreise­n und dem Land für die Aufnahme der Geflüchtet­en gesorgt haben, geht es nun darum, denjenigen, die eine Bleibepers­pektive haben, die Chance zu geben, sich hier zu integriere­n“, so Lucha.

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SYMBOLFOTO: DPA/FELIX HEYDER Jeder dritte Weingarten­er hat einen Migrations­hintegrund.

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