Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Alkohol am Steuer: Wenn Pusten nicht mehr reicht
Autofahrer, die zu viel getrunken haben, müssen zur Blutentnahme – Aber wie geht es mit diesen Tests dann weiter?
LINDENBERG - Es kommt im Durchschnitt ein- bis zweimal pro Woche im Westallgäu vor: Ein Autofahrer gerät in eine Polizeikontrolle – und muss wegen des Verdachts auf Alkohol am Steuer nicht nur in ein Testgerät pusten, sondern gleich zur Blutentnahme. Im Polizeibericht tauchen solche Meldungen regelmäßig auf. Aber was steckt dahinter? Benjamin Schwärzler hat die wichtigsten Fragen und Antworten gesammelt.
Wer entscheidet, ob ein Autofahrer zur Blutentnahme muss?
Die Polizei vor Ort. Bis vor einem Jahr war eine richterliche Anordnung notwendig, doch dieses Gesetz ist im August 2017 aufgehoben worden. „Der kontrollierende Beamte orientiert sich an gesetzlich vorgegebenen Richtwerten“, sagt dazu Rainer Lutz, Leiter Sachbereich Verkehr beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West, das auch für den Landkreis Lindau zuständig ist.
Wie sehen diese Richtwerte aus?
Bei Ordnungswidrigkeiten genügt es, den Alkoholwert mittels eines Testgeräts festzustellen, also das klassische Pusten. Das betrifft alles zwischen 0,5 und 1,09 Promille – sowie den Verstoß gegen das absolute Alkoholverbot für Fahranfänger. In solchen Fälle braucht es zunächst einmal keine Blutentnahme. „Diese wird nur durchgeführt, wenn das Gerät durch den Fahrzeugführer nicht ordnungsgemäß bedient wird oder wenn er sich weigert, dieses zu bedienen“, erläutert Lutz. Grundsätzlich zwingend ist eine Blutentnahme, wenn der Verdacht einer Straftat besteht. Das bedeutet: Wenn der Atemtest mehr als 1,1 Promille anzeigt – oder wenn der Autofahrer das Pusten verweigert, die Beamten aber den Eindruck haben, dass er mindestens 1,1 Promille hat. Bei einem Unfall reichen sogar 0,3 Promille aus, ebenso bei einer Ausfallerscheinung.
Welche Werte gelten für Fahrradfahrer oder E-Bikes?
Grundsätzlich die 1,6-PromilleGrenze. Wenn der Radler aber beispielsweise deutliche Schlangenlinien fährt, kann es auch weniger sein.
Kann ein Verkehrsteilnehmer eine Blutentnahme verweigern?
Nein. Im Gegensatz zum Alkoholtest durch Pusten geht das nicht.
Wo findet die Blutentnahme statt?
Im Dienstbereich der Polizei Lindenberg in der Regel im Krankenhaus. In der Rotkreuzklinik in Lindenberg gibt es sieben Internisten, die eine Blutentnahme durchführen dürfen. Sie wechseln sich ab, sodass eine Blutabnahme zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich ist. „Sollte es im Krankenhaus ausnahmsweise nicht der Fall sein, kann ein Arzt auf die Dienststelle gerufen werden. In Lindenberg ist das aber die Ausnahme“, sagt Lutz. Übrigens: Die Polizei begleitet den Autofahrer nicht nur ins Krankenhaus, sondern bringt auch eigenes Material mit, sprich Spritzen, die richterlich freigegeben sind. Die Ärzte entnehmen das Blut an der Armbeuge (um die 30 Milliliter). Das Krankenhaus Lindenberg hat im Schnitt ein bis zwei solche „Einsätze“pro Woche.
Wo wird das Blut ausgewertet?
Die Untersuchungsstellen befinden sich beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit in Erlangen und beim Institut für Rechtsmedizin in Ulm. Das Ergebnis liegt in der Regel nach zwei bis vier Wochen vor.
Wird das Blut dort auch automatisch auf Drogen getestet?
Nein. „Nur wenn der kontrollierende Beamte entsprechende Verdachtsmomente hat“, sagt Lutz. In so einem Fall wird ein extra Gutachten erstellt. Dieser Vorgang dauert länger als die Bestimmung des Promillewertes durch Alkohol.
Wer bezahlt diesen Vorgang?
„Die Kosten für Blutentnahme und Blutuntersuchung trägt der betroffene Fahrzeuglenker, außer das Ergebnis erfüllt keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit“, sagt Lutz. Sprich: Wenn sich herausstellt, dass ein Autofahrer weniger als 0,5 Promille hatte, bezahlt den Vorgang die Staatskasse. Die Kosten liegen zwischen 50 und 100 Euro, je nachdem, ob beispielsweise Nachtzuschläge oder Fahrtkosten anfallen.