Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tote Fische für grünen Strom?
Zum Bericht „Betreiber: Auflagen gefährden Wasserkraftanlagen“(SZ vom 22. August):
Im Mai 2004 war ich mit Studenten der Pädagogischen Hochschule im Rahmen eines Ökologie-Seminars an der Scherzach unterhalb des Kraftwerkes Hall. Dabei entdeckten wir Aale, die am Grund der Scherzach im Tosbecken unterhalb des Kraftwerkes Hall lagen. Wir bargen sie, verdutzt über den fehlenden Fluchtreflex der normalerweise nur nachtaktiven Fische. Doch die Fische einer aussterbenden Art konnten nicht anders: Beim Durchgang durch die Turbine des Kraftwerkes Hall wurden sie in 7-Zentimeter-Stücke zerhackt, nur noch über die Haut hingen sie zusammen und krümmten sich unter Schmerzen, soweit das mit vielfach durchtrennter/gebrochener Wirbelsäule noch möglich war, und verendeten nach Stunden qualvollen Leides. Wir erlösten sie von ihrem Leiden und verständigten die Polizei, die die Fische fotografierte und die Sache aufnahmen. Auch an das Landratsamt ging meine Meldung, wie erwartet erfolglos.
Inzwischen entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 1. Juni 2017, dass die Betreiber von Wasserkraftanlagen für die Umweltschäden ihrer Anlagen aufzukommen haben. Das gilt ausdrücklich auch für Altanlagen: Betreiber können sich nicht mehr darauf berufen, dass die durch ihre Anlagen verursachten Umweltschäden durch frühere behördliche Entscheidungen gedeckt sind (AZ:ECLI:EU: C:2017:419) Behörden sind sogar verpflichtet, Sündenfälle der Vergangenheit (wie an der Scherzach) aktiv anzugehen.
Die Schäden durch Wasserkraftwerke, insbesondere die der kleinen wie das von Herrn Hall, stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zum erzeugten Strom; sie sind sogar unverhältnismäßig klimaschädlich. Wenn das Umweltministerium jetzt durch ökologisch notwendige Vorgaben im Wasserkrafterlass das Problem angeht, dann ist das ein notweniger Schritt zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen auf dieser Erde, der allerdings viel zu spät kommt.
Werner Baur, Fronreute