Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zweieinhalb Jahre Haft für Faustschlag ins Gesicht
Ein 19-Jähriger muss sich vor dem Amtsgericht Lindau verantworten – Seine Vorstrafenliste ist lang
LINDAU - Er hat einem anderen jungen Mann auf die Unterlippe geschlagen, sodass sie platzte und mit mehreren Stichen genäht werden musste. Ein 19-Jähriger mit griechischer Staatsbürgerschaft muss sich deshalb vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Lindau wegen Körperverletzung verantworten. Das Gericht verurteilt ihn am Ende zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, denn seine Vorstrafenliste ist lang.
Der Angeklagte war nur knapp drei Monate aus einer Haft in der JVA Bamberg auf Bewährung entlassen, als er im Januar dieses Jahres mit Freunden in der Lindauer Innenstadt unterwegs war. Der Staatsanwalt liest aus der Anklageschrift vor: Die jungen Männer seien in den Scotch Club in Lindau gegangen. Dort soll es zu einem Streit mit einer anderen Gruppe Jugendlicher gekommen sein. Im Verlauf habe der Angeklagte einem 19-Jährigen der anderen Gruppe mit der Faust ins Gesicht geschlagen.
Vor Gericht gibt der Angeklagte die Tat zu. „Ich habe mich vorhin entschuldigt“, sagt er und meint damit das Aufeinandertreffen von Täter und Opfer im Vorraum des Gerichtssaals. Zum Tatzeitpunkt sei er „besoffen“gewesen. Er erzählt: Ein Freund von ihm und das 19-jährige Opfer hätten sich nach einer Diskussion draußen vor der Bar geschubst, er sei zunächst dazwischen gegangen. Die Rangelei habe sich dann um die Ecke in Richtung Zwanziger Straße fortgesetzt. Da habe ihn der 19Jährige als „Scheiß Ausländer“beschimpft, „und dann ist es halt passiert.“ Er habe dem 19-Jährigen eigentlich eine Backpfeife geben wollen, er sei aber gestolpert und habe das Opfer mit seinem harten Handgelenkknochen im Gesicht getroffen.
Richterin Brigitte Grenzstein ist irritiert, versucht die Beschreibung des Angeklagten selbst nachzustellen, kann sich das Ganze nicht so richtig vorstellen und fragt beim Angeklagten nach: „Wie haben Sie das genau gemacht?“Der antwortet nur: „Ich weiß auch nicht, ich war besoffen.“
Der Freund des Angeklagten, der sich zunächst mit dem Opfer vor der Bar geprügelt hatte, erscheint bei der Verhandlung nicht vor Gericht. Zwei andere Freunde sagen aus, dass sie von dem in der Anklageschrift aufgeführten Faustschlag nichts mitbekommen hätten.
Das Opfer und seine Freundin können sich dagegen noch gut an den Abend erinnern. Beide erzählen übereinstimmend, dass sie mit Freunden in der Bar gewesen seien, um ein Bier zu trinken. Die Gruppe um den Angeklagten sei auch in der Bar gewesen. Dessen Freund habe sie unvermittelt beschimpft. „Der war von Anfang an auf Krawall gebürstet“, sagt das 19jährige Opfer.
Danach habe sich die Situation zunächst wieder beruhigt, aber als die Gruppe zum Rauchen vor die Tür gegangen sei, habe der Freund des Angeklagten wieder angefangen, ihn zu beleidigen. Es sei dann zu der Schubserei gekommen. Der Angeklagte sei plötzlich dazu gekommen und habe ihm von schräg hinten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. „Das ging total schnell und war für mich völlig unerwartet.“Beschimpft habe er im Vorhinein niemanden. Seine Freundin bestätigt, dass der Angeklagte mit der Faust zugeschlagen habe. Das könne sie mit Sicherheit sagen.
Noch bis November vergangenen Jahres saß der Angeklagte in Haft, weil er mehrere Einbrüche begangen hatte, Personen bedroht und geschlagen hatte, weil er ohne Führerschein erwischt wurde. Er wurde im November entlassen, um den Rest der Haft auf Bewährung zu verbüßen. Der Angeklagte hat keinen Schulabschluss, nie eine Ausbildung begonnen. „Er hat genau so weiter gemacht, wie die Jahre zuvor“, fasst der Staatsanwalt zusammen. Nur drei Monate habe es gedauert, bis der Angeklagte rückfällig wurde. Er fordert drei Jahre Haft.
Der Verteidiger des Angeklagten fordert eine Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. „Man sollte ihm noch eine Chance geben“, sagt er, „damit er eine Ausbildung machen kann.“Das Gericht verurteilt den Angeklagten zu zweieinhalb Jahren Jugendhaft. Acht Monate für die jetzige Tat, sieben Monate werden noch aus den vorherigen Urteilen einbezogen. „Sie haben zugeschlage,n und sie hatten keinerlei Anlass dazu“, sagt die Richterin zu dem 19-Jährigen. Dass er später gestolpert sei und das Opfer deswegen hart getroffen wurde, sei eine reine Schutzbehauptung. Die Vorstrafen würden schwer wiegen. Klar sei: „Eine Bewährung kommt nicht in Betracht.“
„Der war von Anfang an auf Krawall gebürstet“, sagt das 19-jährige Opfer.