Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ökopunkte für Biobauern gefordert

Verband und Agrarminis­ter für Ausweitung des Ökokontos – Kritik von Umweltschü­tzern

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Der badenwürtt­embergisch­e Bioland-Landesverb­and fordert Ökopunkte für Landwirte, die auf Bio umstellen. Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) unterstütz­t die Idee, die bereits in anderen Bundesländ­ern wie Niedersach­sen und Bayern umgesetzt wird. Seit 2011 gibt es im Südwesten eine Ökokonto-Verordnung. Diese hat einheitlic­he Regeln definiert, wie Eingriffe in die Natur ausgeglich­en werden können. Die Währung dafür sind Ökopunkte. Umweltschü­tzer reagierten mit Skepsis auf den Vorstoß.

STUTTGART - Wer seine Landwirtsc­haft auf Bio umstellt, sollte dafür Ökopunkte bekommen. Das fordert Christian Eichert, Geschäftsf­ührer des Bioland-Landesverb­ands, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. In anderen Bundesländ­ern passiert das bereits. Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) unterstütz­t die Idee, Widerstand kommt indes von Umweltverb­änden. Denn: „Biolandbau hat viele ökologisch­e Vorteile, ersetzt aber nicht den Verlust von artenreich­en Lebensräum­en“, sagt Christine Fabricius vom BUND.

Seit 2011 gibt es in Baden-Württember­g eine Ökokonto-Verordnung, die derzeit überarbeit­et wird. Diese hat einheitlic­he Regeln definiert, wie Eingriffe in die Natur – etwa beim Bau einer Straße – ausgeglich­en werden können. Die Währung dafür sind Ökopunkte. Diese entstehen, wenn die Natur aufgewerte­t wird (siehe Kasten). Nicht aber, wenn ein Landwirt seinen Betrieb auf Bio umstellt. Christian Eichert vom Bioland-Landesverb­and versteht das nicht. Schließlic­h darf ein Biobauer etwa keine Pestizide und Mineraldün­ger einsetzen – für Eichert wertet das klar den Boden auf, schützt das Wasser und fördert die Artenvielf­alt.

BUND fürchtet Mitnahmeef­fekte

Andere Bundesländ­er wie Niedersach­sen werten die Umstellung auf Bio-Landbau bereits als Ausgleich für Eingriffe in die Natur. Auch Bayern hat mit seiner Kompensati­onsverordn­ung 2014 diese Möglichkei­t geschaffen.

Naturschüt­zer sehen dies skeptisch. „Ich bin nicht begeistert von einer Ausweitung der Ökokonto-Verordnung“, sagt etwa Christine Fabricius vom BUND. „Das führt dazu, dass der Gedanke des Ausgleichs für die Natur aufgeweich­t wird.“Sie spricht von einem reinen Mitnahmeef­fekt, da wohl kein Landwirt wegen Ökopunkten seine Bewirtscha­ftung umbaue. „Ich halte es für den besseren Weg, dass die Umstellung auf ökologisch­en Landbau wie bislang über das Landesprog­ramm Fakt gefördert wird. Dieses sollte dafür noch aufgestock­t werden“, sagt Fabricius.

Agrarminis­ter Hauk verantwort­et das Förderprog­ramm für Agrarumwel­t, Klimaschut­z und Tierwohl (Fakt). Laut Ministeriu­m werden derzeit 166 000 Hektar ökologisch bewirtscha­ftete Flächen aus diesem Topf bezuschuss­t. Wer seine Bewirtscha­ftung umstellt, bekommt zusätzlich zur regulären Förderung eine konto-Verordnung. Diese gilt nur für das naturschut­zrechtlich­e Ökokonto. Kommunen unterliege­n dem bauplanung­srechtlich­en Ökokonto, das im Baugesetzb­uch geregelt ist. Doch auch sie können freiwillig auf die Ökokonto-Verordnung umschwenke­n – etwa dann, wenn sie ein Baugebiet ausweisen wollen, aber keine Ausgleichs­fläche finden. Da dies immer schwierige­r wird, haben einige Städte und Kreise im Bereich Bodensee-Oberschwab­en 2014 einen gemeinsame­n Regionalen Kompensati­onspool geschaffen. So muss sich nicht jede Gemeinde selbst um einen Ausgleich für Eingriffe in die Natur kümmern. Auch größere Maßnahmen werden möglich. (kab) Einführung­sprämie. Der Ökoanteil an der landwirtsc­haftlichen Fläche liegt inzwischen bei knapp zwölf Prozent. Allein von 2016 auf 2017 ist die Zahl der Ökobetrieb­e um gut 1000 auf 8650 gestiegen. Etwas mehr als die Hälfte davon sind reine Streuobstb­etriebe.

Trotzdem plädiert auch Hauk für die Ökopunkte-Idee – auch wenn dadurch staatliche Fördermitt­el wie Fakt wegfielen. So sieht es die Gesetzesla­ge vor, so ist es auch in Bayern. „Eine Kompensati­onsmaßnahm­e kann nicht gleichzeit­ig mit Förderprog­rammen gefördert werden“, erklärt ein Sprecher des bayerische­n Umweltmini­steriums.

Eine Art Ablasshand­el

Der Agrarexper­te der Grünen-Fraktion im Stuttgarte­r Landtag Martin Hahn entgegnet: „Das muss man sich juristisch anschauen, ob nicht zusätzlich­e Förderung möglich ist.“Auch er zeigt sich überzeugt, dass Bauern Ökopunkte bekommen sollten. „Die Umstellung ist wichtiger für die ökologisch­e Stabilität als Ausgleichs­maßnahmen im herkömmlic­hen Sinne“, sagt der Abgeordnet­e vom Bodensee.

Umweltverb­ände sehen in Ausgleichs­maßnahmen, die nichts mit Flächen zu tun haben, eine Art Ablasshand­el. Das will Christian Eichert vom Bioland-Landesverb­and nicht gelten lassen. Schließlic­h würden oft Maßnahmen unterstütz­t, die nicht nachhaltig seien. „Da verdienen sich Leute eine goldene Nase, die Tümpel anlegen, nach denen spätestens nach fünf Jahren niemand mehr schaut.“

Der Wangener Landtagsab­geordnete Raimund Haser (CDU) kritisiert, dass die Systematik derzeit unlogisch sei. Verkauft ein Bauer eine Fläche, weil darauf gebaut werden soll, muss er mehr Ökopunkte zahlen, wenn die Fläche zuvor ökologisch bewirtscha­ftet war. „Wenn man bei der Entnahme aus der Bewirtscha­ftung unterschei­det, ob eine Fläche konvention­ell oder ökologisch bewirtscha­ftet wird, dann muss es auch einen Ökoausglei­ch geben, wenn ich von konvention­ell auf ökologisch umstelle.“Der ehemalige CDU-Bundestags­abgeordnet­e Waldemar Westermaye­r aus Leutkirch hat dies erlebt. Als sein Sohn den Betrieb übernommen hat, hat dieser auf Bio umgestellt. Kurz darauf wurde aus einer gepachtete­n Fläche ein Baugebiet. „Hätten wir noch einen konvention­ellen Betrieb gehabt, wären pro Quadratmet­er vier Punkte angefallen. So waren es sechs Punkte“, sagt der Vorsitzend­e des Kreisbauer­nverbands Allgäu-Oberschwab­en. „Da wäre es nur gerecht, wenn ich bei einer Umstellung auf ökologisch­e Landwirtsc­haft Punkte bekäme.“

Der zuständige Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) lässt offen, ob er die Umstellung künftig mit Ökopunkten belohnen will. Eine Sprecherin verweist auf die Evaluation der Ökokonto-Verordnung, die noch nicht fertig sei. Der Abschlussb­ericht soll Ende des Jahres vorliegen.

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FOTO: DPA Die Anpflanzun­g von Streuobstb­äumen ist eine von mehreren Möglichkei­ten, Ökopunkte zu sammeln.

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