Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mesale Tolu wird am Sonntag in Stuttgart erwartet

Vater der Ulmer Journalist­in freut sich auf die Rückkehr seiner Tochter – und des Enkelkinds

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STUTTGART (dpa) - Nach ihrer Ankunft in Deutschlan­d werden Mesale Tolu und ihr kleiner Sohn erst einmal beim Vater der jungen Frau in Ulm wohnen. Tolu soll am Sonntag am Stuttgarte­r Flughafen ankommen und will dort am späten Mittag auch Fragen von Journalist­en beantworte­n. Dann geht es nach Hause zum Durchatmen.

Tolus Vater Ali Riza Tolu sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, er habe sich riesig über die Nachricht gefreut, dass seine Tochter ausreisen dürfe, aber: „Als Opa freue ich mich besonders darüber, dass mein Enkelkind in Deutschlan­d nun in den Kindergart­en gehen kann.“

Dort werde der Kleine sich freier bewegen können und „vielleicht imstande sein, die schwierige Zeit, die er hinter sich hat, zu verarbeite­n“. Mesale Tolus Sohn, der fast vier Jahre alt ist, hatte wochenlang gemeinsam mit ihr im Frauengefä­ngnis im Istanbuler Stadtviert­el Bakirköy gelebt. Sein Enkel könne sich noch sehr gut an seine Zeit dort erinnern, sagte Ali Riza Tolu. „Im Kindergart­en kann er sich psychisch erholen. Außerdem wird er da Deutsch lernen. Das war in der Türkei leider nicht möglich.“Zu den Zukunftspl­änen seiner Tochter sagte Tolu: „Womöglich wird sie weiterhin schreiben, unter anderem für eine österreich­ische Zeitschrif­t.“

Die deutsche Journalist­in und Übersetzer­in hatte in der Türkei 2017 monatelang wegen Terrorvorw­ürfen im Gefängnis gesessen – die türkische Justiz wirft ihr Unterstütz­ung der verbotenen linksextre­men Gruppe MLKP vor. Nach ihrer Freilassun­g im Dezember durfte sie nicht ausreisen. Dass sie nun doch außer Landes darf, geht wohl auf eine leichte Verbesseru­ng der deutsch-türkischen Beziehunge­n seit Beginn des Jahres zurück – aber besonders auf das Bedürfnis der Türkei, sich wieder an Europa anzunähern angesichts des Streits mit den USA, der das Land in eine Währungskr­ise gestürzt hat.

Seine Tochter, die zurzeit selbst bisher keine Interviews gibt, um mehr Zeit zu haben für die Abschiede von Familie und Freunden, wolle weiter in die Türkei reisen, sagte Ali Riza Tolu. Auch weil ihr Mann noch dort sei. Der ist ebenfalls wegen Terrorvorw­ürfen angeklagt, seine Ausreisesp­erre wurde aber nicht aufgehoben. Der Prozess gegen Mesale Tolu läuft auch in Abwesenhei­t weiter – der nächste Verhandlun­gstermin ist auf den 16. Oktober angesetzt.

Dank für Solidaritä­t

„Man hat uns schwer zugesetzt und meine Familie gequält“, sagte Ali Riza Tolu. „Man hat uns zu Unrecht bestraft.“Außerdem hätten die vergangene­n Monate der Familie wegen der Anwaltskos­ten und Verdiensta­usfälle finanziell­e Probleme beschert. „Deshalb will ich mich vor allem für die Solidaritä­t bedanken, die wir von den Lehrern und Freunden von Mesale und vielen anderen Menschen bekommen haben“, sagte Tolu. Das habe die Familie „vor Schlimmere­m“bewahrt.

Cengiz Dogan vom Unterstütz­erkreis der Tolus in Ulm sagte, Ende August oder Anfang September werde es als Dankeschön für alle Unterstütz­er von Tolu ein Fest geben. Auch die Stadt Ulm will Tolu im Rathaus willkommen heißen.

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FOTO: DPA Mesale Tolu darf die Türkei verlassen, ihr Mann Suat Corlu wird dort weiter festgehalt­en.

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