Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine Amtsenthebung liegt in weiter Ferne
Was nötig wäre, damit US-Präsident Trump abtreten muss – Wahlen im November spielen große Rolle
WASHINGTON - Ob ein amerikanischer Präsident seines Amtes enthoben werde, liege zunächst einzig und allein daran, wie das Repräsentantenhaus die Sache sehe, hat Gerald Ford einmal gesagt. Die Einschätzung stammt aus dem Jahr 1970. Ford war noch nicht der US-Präsident, der er einmal werden sollte. Er war Fraktionschef der Republikaner, der parlamentarischen Minderheit, in der Abgeordnetenkammer. Seitdem ist seine prägnante Bewertung nicht mehr wegzudenken aus dem Zitatenschatz der amerikanischen Politik.
Die Debatte um ein Amtsenthebungsverfahren – auf Englisch Impeachment – tobt gerade wieder. Womöglich wird sie sich über Monate hinziehen. Nachdem nun auch der Verleger David Pecker bereit zu sein scheint, in der Affäre um Schweigegeldzahlungen an das Playboy-Model Karen McDougal gegen Präsident Donald Trump auszusagen, ist immer häufiger, immer dringlicher vom Impeachment die Rede.
Wie schwer wiegt die Bestechung?
Trump ließ McDougal und der Pornodarstellerin Stephanie Clifford sechsstellige Dollarsummen zahlen, um kurz vor dem Votum des Novembers 2016 ihr Schweigen über vermeintliche Affären mit ihm zu erkaufen. Man könne darin einen Bestechungsversuch mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung sehen, sagt Cass Sunstein, Rechtsprofessor der Universität Harvard. Und greife ein Kandidat zum Mittel der Bestechung, um ins höchste Staatsamt zu gelangen, sei dies ein Vergehen, das zur Amtsenthebung führen könne. Joshua Matz, Autor eines Standardwerks über das Impeachment, sieht es ähnlich. Das Szenario, wonach sich ein Bewerber fürs Oval Office „korrupter Instrumente“bediene, um eine Wahl für sich zu entscheiden, habe die Generation George Washingtons und Thomas Jeffersons überhaupt veranlasst, das Amtsenthebungsverfahren in den Gründungskanon der Republik aufzunehmen.
Doch Fords eingangs zitierte Worte machen klar, wo der Hase im Pfeffer liegt. Das Impeachment ist ein politischer Akt, nicht im engen Sinne ein juristischer. Solange Trump im Weißen Haus residiert, muss er nicht mit Strafverfolgung rechnen, da er de facto Immunität genießt. Die Verfassung, in dem Punkt sind sich die Rechtsgelehrten weitgehend einig, gestattet es nicht, gegen einen amtierenden Präsidenten ein Strafverfahren zu eröffnen. Die politische Gemengelage wiederum ist einigermaßen klar: Soll der Stein ins Rollen gebracht werden, müssten die Republikaner bei der Kongresswahl im November ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren. Denn dass sich die Republikaner gegen Trump stellen, ist unwahrscheinlich. Denn die Basis der Partei lässt dem Präsidenten bislang noch alles durchgehen – und verteidigt ihn mit geradezu fanatischem Eifer. Das Risiko einzugehen hat sich bislang kaum ein Republikaner getraut. Bliebe ein von den Demokraten angestrengtes Verfahren. Das setzt voraus, dass sie im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus holen. Dann müsste ein einzelner Abgeordneter ein Impeachment beantragen – und der Justizausschuss der Kammer dafür stimmen. Danach würde ein Votum aller 435 Abgeordneten folgen, bei dem eine einfache Mehrheit reichen würde. Im Senat aber, der nächsten Instanz, wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, um den Präsidenten zum Abgang zu zwingen. Wie schwierig das ist, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher.
Clinton überstand Impeachment
1868 ging es um Andrew Johnson, einen Südstaatler aus Tennessee, der nach dem Bürgerkrieg bremste, als die hart erkämpften Rechte befreiter Sklaven in der Praxis durchgesetzt werden sollten. Die Senatoren entschieden denkbar knapp, ihn im Amt zu belassen. 1998 war es Bill Clinton, der im Zuge der Sexaffäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky unter Eid gelogen hatte und deshalb sein Amt verlieren sollte.
In Zeiten, in denen die Wirtschaft boomte und Clinton sich trotz seiner Eskapaden hoher Beliebtheitswerte erfreute, fand sich im US-Senat nicht einmal annähernd eine Zweidrittelmehrheit. Richard Nixon wiederum kam der sicheren Amtsenthebung zuvor, indem er 1974 auf dem Höhepunkt des Watergate-Skandals zurücktrat. Auch seine Parteifreunde wollten ihn nur noch in die Wüste schicken.