Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
WDR-Rundfunkrat lehnt Reformkonzept ab
Bis 2020 müssen Haushalte 17,50 Euro Rundfunkbeitrag im Monat zahlen – Wie es dann weitergeht, ist umstritten
BONN (KNA) - Festes Budget, mehr Unabhängigkeit und Planungshoheit, kein ewig wiederkehrender Streit um Rundfunkgebühren. Hört sich doch gut an, was sechs Bundesländer in einem im Juni veröffentlichten Reformplan zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender aufgeschrieben haben.
Doch zumindest beim WDR ist man alarmiert: „Die Idee klingt bestechend einfach, das macht sie so gefährlich“, schreibt der WDRRundfunkrats-Vorsitzende Andreas Meyer-Lauber in einem Beitrag für den in Bonn ansässigen Fachdienst „Medienkorrespondenz“. Sollten sich die Ministerpräsidenten Ende des Jahres auf eine Vollindexierung einigen, „zögen sie sich damit billig aus der selbst gesetzten Aufgabe einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“zurück.
Worum es geht: Im Juni hatten sich Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen und Thüringen auf einen Reformplan für ARD, ZDF und Deutschlandradio verständigt. So schlägt die Ländergruppe vor, den Rundfunkbeitrag künftig in regelmäßigen
Abständen auf
Basis der jährlichen Inflationsrate anzuheben.
Das heutige, zu immer neuem
Streit führende
System, bei dem die Expertenkommission KEF den Finanzbedarf ermittelt und eine Beitragshöhe für die Dauer von vier Jahren vorschlägt, würde abgeschafft.
Außerdem wollen die sechs Länder den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender verändern. Einerseits soll deren inhaltliches Profil geschärft werden, indem sich die Anstalten auf Information, Kultur und Bildung konzentrieren. Zum anderen sollen die Sender künftig zum Teil selbst entscheiden, welche TV- und Radioprogramme sie betreiben.
Eine Anbindung des Rundfunkbeitrags an die Inflationsrate hätte zur Folge, dass die Länder nicht mehr alle vier Jahre die Höhe des Rundfunkbeitrags beschließen müssten. Hintergrund des Reformplans dürfte auch die Befürchtung sein, dass die notwendige Einstimmigkeit der Länder zur Erhöhung des Beitrags künftig nicht mehr möglich sein könnte. Insbesondere die AfD, die in 14 Landtagen vertreten ist, sieht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritisch. Aus Sicht der Politik hätte das neue Modell auch den Charme, dass die Sender eigenständig über Einsparungen entscheiden müssten.
Aus Sicht von Meyer-Lauber macht es sich die Politik damit zu leicht. Die Vorschläge würden einen „Systembruch mit höchsten Risiken“bedeuten, schreibt er. Nach der Logik des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts müsse der Staat den öffentlichrechtlichen Rundfunk so finanzieren, dass er seinem Auftrag gerecht werde, sagte der Rundfunkrats-Chef. Jetzt drohe das System auf den Kopf gestellt zu werden: Zuerst würden wirtschaftliche Grenzen gesetzt; der Auftrag müsse sich dann danach richten. Die Sender kämen unter Druck, weniger Programm billiger zu produzieren.
Folgen für Medienpolitik
Auch für die Demokratie hätte das Modell nach den Worten des Rundfunkrats-Chefs Folgen: Landesregierungen und Parlamente könnten sich aus der unbequemen Debatte um den Programmauftrag zurückziehen und die Medien sich selbst überlassen. Die Medienpolitik würde verkümmern – und damit auch das Bewusstsein für die Bedeutung der Medien in der Demokratie.
Eine Bindung der Anpassung des Rundfunkbeitrags allein an die Inflation lehnt der Gewerkschafter und SPD-Politiker ab. Das würde die Sender von der wirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln. „Mit dem Modell der Indexierung nach Inflation würden die Öffentlich-Rechtlichen also nach einem Jahrzehnt als der arme Jakob dastehen, der mit dem steigenden Wohlstand und den neuen Bedürfnissen des Publikums nicht mehr mithalten könnte“, betont er.
Noch weitergehende Folgen hätte es nach seiner Überzeugung, die Unterhaltung aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu streichen: „Weite Teile der Radioprogramme machten sich überflüssig, ebenso der ,Tatort’ und Spielfilme zum Beispiel.“Damit wären die Sender auf ein Restprogramm reduziert.
Meyer-Lauber begrüßte, dass den Sendern mehr Eigenverantwortung übertragen werden solle. Die Politik müsse aber Verfahren schaffen, die die Unabhängigkeit, Pluralität und Qualität der Medien sicherten. „Eine garantielose Politik verstört.“