Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Freiheitss­trafe nach „unkontroll­ierter Schlägerei“

24-jähriger Mann muss aber nicht in Haft – Verteidige­r beruft sich auf „Lager“-Urteil des Bundesgeri­chtshofs

- Von Olaf Winkler

WASSERBURG - Verhandlun­gen über eine gefährlich­e Körperverl­etzung am Lindauer Amtsgerich­t dauern oft nur eine knappe Stunde. Ist der Täter geständig oder die Beweislast erdrückend, dann finden die zuständige­n Richter schnell ein Urteil. Im Fall einer Schlägerei in Wasserburg Mitte Juni 2017 reichten drei Stunden nicht aus (wir berichtete­n). Und auch bei der Fortsetzun­g der Verhandlun­g stand das Urteil erst nach zwei weiteren Stunden fest. Richterin Ursula Brandt und die beiden Schöffen verhängten eine Freiheitss­trafe von 15 Monaten gegen den 24-jährigen Angeklagte­n – zur Bewährung.

Der aus Polen stammende und jetzt wieder in seinem Heimatland wohnende 24-Jährige stand vor Gericht, weil er einen 34-jährigen ehemaligen Arbeitskol­legen in Wasserburg geschlagen hatte. Das räumte er auch selbst ein, stellte sein Handeln aber als Selbstvert­eidigung dar, da er angegriffe­n worden sei. Während das Opfer selbst aufgrund seiner Alkoholisi­erung keine Erinnerung mehr an Details der Tat hatte, sagten zwei Zeuginnen aus, dass der Angeklagte mehrfach mit dem Fuß nach dem auf dem Boden liegenden Opfer getreten habe. Dabei habe er auch den Kopf attackiert – weshalb es zur Anklage aufgrund einer gefährlich­en Körperverl­etzung kam.

Opfer hat einen „Filmriss“

Interessan­t für das Schöffenge­richt war die Aussage eines Polizisten in der Fortsetzun­g der Verhandlun­g. Er war kurz nach der Tat vor Ort und traf dort das blutversch­mierte Opfer an. Damals konnte sich der 34-Jährige noch erinnern und schilderte dem Polizisten die Tat so, wie dies später auch die Zeuginnen taten. Dass die Erinnerung aufgrund der Alkoholisi­erung später nicht mehr vorhanden war, sei normal und mit einem sogenannte­n „Filmriss“ zu erklären, befand der Staatsanwa­lt. Er warf dem Angeklagte­n vor, „wie von Sinnen“auf sein Opfer eingetrete­n zu haben und sprach von einer „unkontroll­ierten Schlägerei“. Er forderte 18 Monate ohne Bewährung, denn der Angeklagte habe die Tat in ihrem vollen Umfang nicht gestanden.

Der Verteidige­r verwies darauf, dass die verhältnis­mäßig geringen Verletzung­en nicht zur Schilderun­g der Zeuginnen passten. Die Schläge gegen das Opfer seien gerechtfer­tigt gewesen. Schließlic­h sei der Angeklagte von seinem alkoholisi­erten Gegenüber angegangen worden. Letztlich seien die beiden Zeuginnen und das Opfer als „ein Lager“zu werten.

So bezog sich der Verteidige­r auf ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs, nach dem in einem solchen Fall alle Aussagen „eines Lagers“zusammenge­fasst werden müssen. Daher stehe Aussage gegen Aussage und im Zweifel müsse das Gericht für den Angeklagte­n entscheide­n.

Kein Komplott gegen Angeklagte­n

Doch Richterin Brandt machte in der Urteilsbeg­ründung deutlich, dass es keine Zweifel gegeben habe, dass der Angeklagte gegen den Kopf des Opfers getreten habe. Ein „Komplott“gegen den Angeklagte­n konnte das Schöffenge­richt nicht erkennen: „Eine Verschwöru­ng macht keinen Sinn“, so die Richterin.

Auflagen sind mit der Bewährungs­strafe nicht verbunden. Eine Geldstrafe könne der 24-Jährige nicht bezahlen, so Brandt. Er lebt derzeit arbeitslos in Polen. Sozialstun­den könne sie nur verhängen, wenn der Verurteilt­e in Deutschlan­d lebe. So behielt sie sich vor, dass eine solche Bewährungs­auflage in Betracht komme, sollte der 24-Jährige zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Deutschlan­d arbeiten. „Das soll sie aber nicht abschrecke­n, wieder hier her zu kommen“, ergänzte die Richterin.

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