Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Es bleibt die Hoffnung auf den Regen
Trotz Hilfe: Ehepaar aus Berg bleibt ohne fließend Wasser – Auch in anderen Brunnen sinkt der Pegel stark
KREIS RAVENSBURG - Die anhaltende Trockenheit droht immer mehr Trinkwasserbrunnen auszutrocknen. In Baien bei Berg versorgt sich ein Ehepaar seit vier Wochen mit Wasser aus dem Supermarkt. Und auch in anderen ländlichen Gebieten melden immer mehr Haushalte, die Wasser aus eigenen Brunnen beziehen, niedrige Wasserstände. Die Regenschauer in diesen Tagen sind zwar ein Lichtblick, reichen aber noch lange nicht aus.
Kaffee kochen mit gekauftem Wasser aus dem Supermarkt, Toilette spülen mit Wasser aus der Regentonne, zum Duschen zur Tochter fahren: Das ist seit vier Wochen Alltag bei Erika und Manfred Oelhaf. Der Brunnen, der das Rentnerehepaar sonst mit Trinkwasser versorgt, hat kein Wasser mehr. Zum ersten Mal seit 70 Jahren. „Wer hilft in so einem Fall?“, hatte Erika Oelhaf nach der dritten Woche ohne Trinkwasserversorgung gefragt (die SZ berichtete). Nachdem das Landratsamt an die Kommune verwiesen hatte, bekam das Ehepaar jetzt 200 Euro aus dem Notfallfonds der Gemeinde Berg als Finanzspritze für Wasserkäufe. „Da bin ich gleich ins Rathaus gegangen, um mich zu bedanken“, berichtet Erika Oelhaf. Eine kleine Aufmunterung – denn die Sorgen um den fast ausgetrockneten Brunnen vor ihrem Haus sind ihr mit der Zeit doch ein bisschen aufs Gemüt geschlagen.
„So extrem noch nie erlebt“
Wenn plötzlich nichts mehr aus dem Wasserhahn kommt – das kann schon eine beunruhigende Vorstellung sein. Auch Friedrich Rockhoff kennt das. „Ich bin schon nachts wach geworden und hab gedacht, was wäre, wenn ich kein Wasser mehr hätte“, berichtet er. Zwar ist sein Trinkwasserbrunnen in Kißlegg noch nicht versiegt, doch als Vorsitzender der Bürgerinitiative dezentrale Wasserversorgung Oberschwaben habe er in jüngster Zeit einige Anrufe von Mitgliedern bekommen, deren Brunnen fast leer sei. „So extrem habe ich es noch nicht erlebt“, sagt Friedrich Rockhoff. „Es hat ja seit April nicht mehr richtig geregnet.“Und die Niederschläge dieser Tage reichen längst nicht aus, um die Pegel in den Brunnen steigen zu lassen. „Dafür muss es wirklich sehr viel regnen“, so Rockhoff.
Dabei ist die Region eigentlich gut versorgt mit Wasser. „Die vergangenen Jahre waren sehr nass, deshalb waren die Grundwasserspeicher gut aufgefüllt“, erklärt Iris Steeger, die das Umweltamt im Landratsamt leitet. Der Pegel sei über die Jahre sogar leicht gestiegen. Mit solch guten „Vorräten“könne man einige Zeit auskommen. Sinkende Grundwasserpegel gebe es, wenn mehrere trockene Sommer aufeinanderfolgen. „Im Sommer geht viel vom Regen in die Pflanzen und kommt gar nicht im Untergrund an“, so Steeger. „Wenn es jetzt regnet, nach so vielen Monaten der Trockenheit, kommt gar nichts im Grundwasser an. Wenn es im Winter viel regnet, füllt sich der Grundwasserspiegel auf, weil im Winter das Wasser nicht in die Pflanzen geht.“
Aber warum trocknen trotz ausreichenden Grundwassers Brunnen aus, die seit vielen Jahren zuverlässige Wasserversorger waren? „Wahrscheinlich sind diese Brunnen nicht tief genug“, vermutet die Fachfrau. Allerdings lasse sich nicht eine Mindesttiefe für alle Standorte festlegen. Dies hänge davon ab, wie weit das Grundwasser von der Oberfläche entfernt sei, und dies wiederum sei je nach Bodenbeschaffenheit unterschiedlich. Manchmal würden schon fünf bis zehn Meter ausreichen, andernorts müssten es vielleicht 60 oder 80 Meter sein.
Der Brunnen von Erika und Manfred Oelhaf in Baien ist vier Meter tief. Schon in den vergangenen Jahren, bevor der Brunnen austrocknete, versuchte das Ehepaar immer wieder, an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen zu werden. Für die Gemeinde ist ein Anschluss ans öffentliche Netz aber erst dann finanziell sinnvoll, wenn mindestens fünf Grundstücke in Baien angeschlossen werden. Doch bislang zeigten zu wenige Anwohner Interesse. Die anderen Brunnen in dem kleinen Weiler sind wohl tiefer und liefern noch Wasser. Den Brunnen tiefer zu bohren, sei zu teuer, erklärt das Rentnerpaar.
Bergs Bürgermeister Helmut Grieb befürwortet einen Anschluss von Baien ans öffentliche Leitungsnetz. Dann müsste aber der ganze Weiler mitmachen. Eine alternative Lösung für die Oelhafs wäre außerdem vielleicht eine Brunnengemeinschaft, schlägt er vor. Damit hat man in Baien aber bereits schlechte Erfahrungen gemacht: Es habe schon einmal eine Brunnengemeinschaft gegeben, berichtet Erika Oelhaf, „aber da war dann auch oft zu wenig Wasser da“. So bleibt dem Ehepaar im Moment nur die Hoffnung auf ergiebige Regenfälle. Denn bei der jüngsten Kontrolle des inzwischen sehr verschlammten Restwassers im Brunnen haben die beiden wieder 15 Zentimeter weniger gemessen.
Wie der Alltag ohne fließend Wasser aussieht, sehen Sie in einem Filmbeitrag unter www.schwaebische.de/brunnen