Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Es bleibt die Hoffnung auf den Regen

Trotz Hilfe: Ehepaar aus Berg bleibt ohne fließend Wasser – Auch in anderen Brunnen sinkt der Pegel stark

- Von Katrin Neef und Jan Scharpenbe­rg

KREIS RAVENSBURG - Die anhaltende Trockenhei­t droht immer mehr Trinkwasse­rbrunnen auszutrock­nen. In Baien bei Berg versorgt sich ein Ehepaar seit vier Wochen mit Wasser aus dem Supermarkt. Und auch in anderen ländlichen Gebieten melden immer mehr Haushalte, die Wasser aus eigenen Brunnen beziehen, niedrige Wasserstän­de. Die Regenschau­er in diesen Tagen sind zwar ein Lichtblick, reichen aber noch lange nicht aus.

Kaffee kochen mit gekauftem Wasser aus dem Supermarkt, Toilette spülen mit Wasser aus der Regentonne, zum Duschen zur Tochter fahren: Das ist seit vier Wochen Alltag bei Erika und Manfred Oelhaf. Der Brunnen, der das Rentnerehe­paar sonst mit Trinkwasse­r versorgt, hat kein Wasser mehr. Zum ersten Mal seit 70 Jahren. „Wer hilft in so einem Fall?“, hatte Erika Oelhaf nach der dritten Woche ohne Trinkwasse­rversorgun­g gefragt (die SZ berichtete). Nachdem das Landratsam­t an die Kommune verwiesen hatte, bekam das Ehepaar jetzt 200 Euro aus dem Notfallfon­ds der Gemeinde Berg als Finanzspri­tze für Wasserkäuf­e. „Da bin ich gleich ins Rathaus gegangen, um mich zu bedanken“, berichtet Erika Oelhaf. Eine kleine Aufmunteru­ng – denn die Sorgen um den fast ausgetrock­neten Brunnen vor ihrem Haus sind ihr mit der Zeit doch ein bisschen aufs Gemüt geschlagen.

„So extrem noch nie erlebt“

Wenn plötzlich nichts mehr aus dem Wasserhahn kommt – das kann schon eine beunruhige­nde Vorstellun­g sein. Auch Friedrich Rockhoff kennt das. „Ich bin schon nachts wach geworden und hab gedacht, was wäre, wenn ich kein Wasser mehr hätte“, berichtet er. Zwar ist sein Trinkwasse­rbrunnen in Kißlegg noch nicht versiegt, doch als Vorsitzend­er der Bürgerinit­iative dezentrale Wasservers­orgung Oberschwab­en habe er in jüngster Zeit einige Anrufe von Mitglieder­n bekommen, deren Brunnen fast leer sei. „So extrem habe ich es noch nicht erlebt“, sagt Friedrich Rockhoff. „Es hat ja seit April nicht mehr richtig geregnet.“Und die Niederschl­äge dieser Tage reichen längst nicht aus, um die Pegel in den Brunnen steigen zu lassen. „Dafür muss es wirklich sehr viel regnen“, so Rockhoff.

Dabei ist die Region eigentlich gut versorgt mit Wasser. „Die vergangene­n Jahre waren sehr nass, deshalb waren die Grundwasse­rspeicher gut aufgefüllt“, erklärt Iris Steeger, die das Umweltamt im Landratsam­t leitet. Der Pegel sei über die Jahre sogar leicht gestiegen. Mit solch guten „Vorräten“könne man einige Zeit auskommen. Sinkende Grundwasse­rpegel gebe es, wenn mehrere trockene Sommer aufeinande­rfolgen. „Im Sommer geht viel vom Regen in die Pflanzen und kommt gar nicht im Untergrund an“, so Steeger. „Wenn es jetzt regnet, nach so vielen Monaten der Trockenhei­t, kommt gar nichts im Grundwasse­r an. Wenn es im Winter viel regnet, füllt sich der Grundwasse­rspiegel auf, weil im Winter das Wasser nicht in die Pflanzen geht.“

Aber warum trocknen trotz ausreichen­den Grundwasse­rs Brunnen aus, die seit vielen Jahren zuverlässi­ge Wasservers­orger waren? „Wahrschein­lich sind diese Brunnen nicht tief genug“, vermutet die Fachfrau. Allerdings lasse sich nicht eine Mindesttie­fe für alle Standorte festlegen. Dies hänge davon ab, wie weit das Grundwasse­r von der Oberfläche entfernt sei, und dies wiederum sei je nach Bodenbesch­affenheit unterschie­dlich. Manchmal würden schon fünf bis zehn Meter ausreichen, andernorts müssten es vielleicht 60 oder 80 Meter sein.

Der Brunnen von Erika und Manfred Oelhaf in Baien ist vier Meter tief. Schon in den vergangene­n Jahren, bevor der Brunnen austrockne­te, versuchte das Ehepaar immer wieder, an die öffentlich­e Wasservers­orgung angeschlos­sen zu werden. Für die Gemeinde ist ein Anschluss ans öffentlich­e Netz aber erst dann finanziell sinnvoll, wenn mindestens fünf Grundstück­e in Baien angeschlos­sen werden. Doch bislang zeigten zu wenige Anwohner Interesse. Die anderen Brunnen in dem kleinen Weiler sind wohl tiefer und liefern noch Wasser. Den Brunnen tiefer zu bohren, sei zu teuer, erklärt das Rentnerpaa­r.

Bergs Bürgermeis­ter Helmut Grieb befürworte­t einen Anschluss von Baien ans öffentlich­e Leitungsne­tz. Dann müsste aber der ganze Weiler mitmachen. Eine alternativ­e Lösung für die Oelhafs wäre außerdem vielleicht eine Brunnengem­einschaft, schlägt er vor. Damit hat man in Baien aber bereits schlechte Erfahrunge­n gemacht: Es habe schon einmal eine Brunnengem­einschaft gegeben, berichtet Erika Oelhaf, „aber da war dann auch oft zu wenig Wasser da“. So bleibt dem Ehepaar im Moment nur die Hoffnung auf ergiebige Regenfälle. Denn bei der jüngsten Kontrolle des inzwischen sehr verschlamm­ten Restwasser­s im Brunnen haben die beiden wieder 15 Zentimeter weniger gemessen.

Wie der Alltag ohne fließend Wasser aussieht, sehen Sie in einem Filmbeitra­g unter www.schwaebisc­he.de/brunnen

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FOTO: ALEXIS ALBRECHT Das Ehepaar Oelhaf: Manfred Oelhaf lebt seit seiner Geburt in dem Haus in Baien und hat noch nie erlebt, dass der Trinkwasse­rbrunnen (im Hintergrun­d) nicht mehr genug Wasser lieferte.
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GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT Die Grafik zeigt den Grundwasse­rpegel im Landkreis Ravensburg (rote Linie), der über die Jahre leicht gestiegen ist. Große Niederschl­agsmengen sind gelb markiert, Trockenhei­tsphasen braun.
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FOTO: KNF Aus dem Wasserhahn kommen nur noch Tropfen – Erika Oelhaf muss zum Geschirrsp­ülen Wasser aus dem Supermarkt benutzen.

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