Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Aus Bildfetzen entwickelt sich andere atmosphärische Dichte
Vierter Teil der Reihe „Projektionen“im Ravensburger Kunstmuseum
RAVENSBURG - Mit dem Film „personne“der beiden eigenständig mit den Medien Fotografie, Film und Video in Hannover arbeitenden Künstler Christoph Girardet (*1966) und Matthias Müller (*1961) ist nun bis Ende September der vierte Teil der Reihe „Projektionen“im Ravensburger Kunstmuseum zu sehen. Zur Vernissage am vergangenen Freitag kündigte Direktorin Ute Stuffer eine Fortsetzung der Reihe im kommenden Jahr an, zumal die bisherigen Beiträge auf gute Resonanz beim Publikum gestoßen seien und in Kunstmagazinen wie „art“oder „monopol“als Veranstaltungstipps gehandelt werden.
Der HD-Film „personne“(zu Deutsch: niemand/keiner) aus Film Stills und kurzen bewegten Filmsequenzen ist ein „Found-FootageFilm“, was so viel heißt wie Material aus Filmstreifen, die in englischen Fuß gemessen werden, deshalb „Footage“. Also wieder verwertetes und angeeignetes Material, hier aus insgesamt 146 Filmen, für die im übrigen jeweils die Erlaubnis eingeholt werden musste. Zur Erklärung der Technik zeigte Ute Stuffer ein paar Fotos, zum Beispiel einen mehrere Meter langen Leuchttisch, auf dem Hunderte von Filmschnipseln in klassisch analoger Weise thematisch geordnet werden – mal die Aufnahme einer zerbrochenen Wasserflasche, das Tropfen von Wasser, oder einige Sequenzen mit einer fahrenden Eisenbahn, die sowieso von Anfang des Kinos an die frühen Regisseure, so Stuffer, mit ihrer „Metapher für Abschied, Neubeginn oder Flucht“fasziniert habe.
Für „personne“haben Girardet und Müller aus französischen Filmen mit Jean-Louis Trintignant aus den späten 1950er- bis zu den 1970erJahren und in Hollywoodfilmen mit Henry Fonda und Peter Finch Motive herausgesucht, die Erinnerungsverlust, Einsamkeit und Verlorenheit thematisieren. So kurz wie die Sequenzen sind, kann man – selbst als filmgebildeter Mensch – sich kaum auf die Analyse der Herkunft dieser Details konzentrieren, selbst wenn das spannend wäre; erst wenn manchmal eine Musik erklingt oder ein längerer Ausschnitt Einblick in den filmischen Kontext gibt, hat man die Chance auf Entdeckung.
Wenn hingegen die unbewegte, unterkühlte Mimik des jugendlichen Trintignant, der 1956 debütierte und 1966 mit „Un homme et une femme“von Claude Lelouch (mit Anouk Aimée) international bekannt wurde, im Großportrait erscheint, dominiert vor allem der Zauber einer unverwechselbaren Schauspielerpersönlichkeit. Trintignant hat mit Regisseuren wie François Truffaut („Auf Liebe und Tod“mit Fanny Ardant, 1983) oder Eric Rohmer („Meine Nacht bei Maud“, 1969) gedreht und so unterschiedliche Rollen wie in Roger Vadims „Und immer lockt das Weib“(1956 mit Brigitte Bardot) und in Michel Delvilles „Das wilde Schaf“(1974 mit Romy Schneider) gespielt. Aus diesem Zeitraum – aber nicht unbedingt erkennbar – stammen die meisten Szenen.
Es bleibt, wenn man sich auf die kurz aufscheinenden visuellen Momente konzentriert, das Gefühl einer emotionalen Verlorenheit, einer geistigen Leere und Vergeblichkeit, die sich in diesen metaphorisch aufgeladenen Filmschnipseln jedoch nicht zu einem neuen Film, sondern gleichsam nur begrifflich verdichtet.
Das Projekt „Projektionen“im Ravensburg Kunstmuseum läuft noch bis zum 30. September. Ein Künstlergespräch mit Christoph Girardet ist für den Donnerstag, 13. September, um 19 Uhr anberaumt.