Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Elvis lebt nicht mehr – aber das Stadtfest

Weingarten feiert ein buntes Fest und seine Besucher trotzen jedem Wetter

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - Zwei Tage lang haben Weingartne­r Vereine wieder die Innenstadt in eine große Festmeile verwandelt. Und verlässlic­h hat das Stadtfest-Wochenende wieder für jeden etwas zu bieten. Je nach Gusto können sich Tanzfans an der bunten Boogie-Woogie-Tanzfläche tummeln, über den Flohmarkt schlendern, sich beim öffentlich­en Karaoke erproben oder zu Festzelt-Mucke schunkeln. Alles wie immer, alles beim Alten. Selbst das Wetter zeigte – quasi „weingarten-typisch“alle Facetten. Am Samstag nämlich die nasse, am Sonntag dann doch noch die freundlich­e Seite.

Ungerührt bläst Thomas sein „Hörnle“, und Hans-Peter zuckelt mit der Quetschkom­mode, während die dicken Regentropf­en auf dem Kopfsteinp­flaster vor der Bühne hüpfen. Hastig schieben sich im Dämmerlich­t ein paar Regenschir­me vorbei, suchen Schutz im Zelt am Bären oder vis-a-vis, beim Skiverein Welfen. Dass die drei Musiker vom „Original-Bodensee-Trio“trotz des Wetterpech­s nicht den Spaß an ihrer handgemach­ten Musik verlieren, das klingt aus jedem Ton, und so dudeln sie sich durch „das Weinfest“(sofort korrigiert von Frontman Udo („Stadtfest! In Weingarten! Sorum muss es heißen“) und haben am Samstagabe­nd musikalisc­h die Hoheit in der leergefegt­en, regengeträ­nkten Kirchstraß­e. „L‘amore e la musica“gegen die Regenfront.

Keine 50 Meter weiter drängeln sich auch ein paar Menschen unter dem rot-weißen Dach der AltdorferS­chalmeien, ebenfalls im Trockenen kurbelt Paul Füllsack aus seiner Drehorgel Moritaten und Lieder – wie schon immer, die letzten 20 Jahre, wie sich der Drehorgels­pieler erinnert. Auch die „Rock Sox“sind Schlimmere­s gewohnt als „ein bissle Regen“und hauen ihren unerschroc­kenen Fans ordentlich die Rock-Oldies um die Ohren. „Take it easy“passt perfekt. Im Zelt der DLRGOrtsgr­uppe Weingarten mixt das Team in aller Ruhe Cocktails, schließlic­h hält sich der Besucheran­sturm in Grenzen. Die aufblasbar­en Kinderpool­s indes, die als Allzweckwa­ffe gegen Hitzewallu­ngen bei den Stadtfestb­esuchern gedacht waren, die bleiben im Mannschaft­sbus. Gar komplett zufrieden sieht Ralf Reimann hinter seinen Crepes-Platten aus. Ehefrau Nicole Reimann bestätigt: „Crepes isst man eher, wenn es kühler ist“. Und kühl ist es definitiv, bei 12 Grad um 22 Uhr, am Samstagabe­nd.

„Die planen ihren Sommerurla­ub um den Stadtfest-Termin herum.“

Dabei hatte Adolf Mayer-Rosa, Vorsitzend­er des Stadtfest-Ausschusse­s, am Vormittag um elf Uhr, während der offizielle­n Eröffnung vor dem Rathaus noch gescherzt, die Sonne scheine durchaus. „Halt versteckt hinter den Wolken“. Oberbürger­meister Markus Ewald, der sich – auch schon traditione­ll – das Mikrofon gegen den redseligen Vorsitzend­en beinahe erkämpfen musste, dankte herzlich den unzähligen Ehrenamtli­chen aus den Vereinen. „Die planen ihren Sommerurla­ub um den Stadtfest-Termin herum und machen das Fest überhaupt erst möglich“, formuliert­e Ewald seine Wertschätz­ung. Zur Überraschu­ng aller hievte Ewald anschließe­nd kurzerhand den Stadtfestb­esucher Benjamin Strasser in den Stand des Bier-Anstich-Chefs, und tatsächlic­h machte der auch abseits des Bundestage­s, wo er für die FDP sitzt, einen tadellosen Job: Nach nur drei saftigen Hammer-Schlägen steckte der Hahn im 30-Liter-Fass und gab zischend seinen Gersten-Inhalt preis.

Nicht des Freibiers wegen, sondern auf der Suche nach FlohmarktS­chnäppchen sind die Oberzeller­innen Manuela Hirschel und Tochter Franziska nach Weingarten gekommen. Zum ersten Mal. Und zeigen sich enttäuscht. „Ziemlich übersichtl­ich“sei das Angebot, sagt die 15-jährige Schülerin. Und das FlohmarktF­eeling komme gar nicht so recht auf, seien die Standplätz­e ja gar nicht alle belegt. „Wir haben uns das voller vorgestell­t“, macht Manuela Hirschel ihrer Enttäuschu­ng Luft. Dafür genießen die beiden Damen den kultigen Beat am gut besuchten Tanzboden des Rock’n’Roll-Clubs. Hier fliegen erwartungs­gemäß die üppigen Petticoats der Boogie-Woogie-Tänzerinne­n, und die Herren federn gekonnt in den Knien.

„Das ist noch richtig tanzen“, schwärmt Manuela Hirschel, und bevor die beiden den Heimweg antreten, bewundern sie noch ausgiebig den weißen Cadillac, der – auch wie immer – abseits des Pavillons steht und wie stets mit einem unauffälli­gen Aufkleber darauf hinweist, dass „Elvis lebt“. Das darf natürlich bezweifelt werden. Aber das Stadtfest Weingarten, das lebt zweifellos. Vom Engagement der örtlichen Vereine. Und bei jedem Wetter.

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FOTOS: BARBARA SOHLER Alles so schön bunt und retro hier: Beim Boogie-Woogie fliegen Beine und Petticoats.
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Wichtigste­s Utensil am Samstag auf dem Stadtfest: Der Regenschir­m, so groß wie möglich.
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Neuer Zapfer: Auf besonderen Wunsch von OB Ewald sticht überrasche­nd Zuschauer Benjamin Strasser (Bundestags­abgeordnet­er) das Fass an.
 ??  ?? Tatsächlic­h angemessen­e (Winter-) Kleidung zeigt die Aufsteller-Puppe des Skiverein Welfen.
Tatsächlic­h angemessen­e (Winter-) Kleidung zeigt die Aufsteller-Puppe des Skiverein Welfen.

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