Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Genua kann im Landkreis nicht passieren
Warum sich Kreis und Stadt sicher sind, dass keine Brücke in der Region einstürzen kann
BIBERACH - Kann ein Brückeneinsturz wie Mitte August in Genua auch in Biberach oder dem Landkreis passieren? „Das halte ich für völlig ausgeschlossen“, sagt Tanja Weber, Leiterin des Straßenamts des Landkreises. Auch der Biberacher Tiefbauamtsleiter Peter Münsch, kann sich ein vergleichbares Unglück aufgrund der hohen Kontrollstandards, die für Brücken gelten, in der Region nicht vorstellen.
Als Brücke gilt hierzulande ein Bauwerk, wenn es mehr als zwei Meter Spannweite hat. Die Stadt Biberach ist auf ihrer Gemarkung für 76 Brücken verantwortlich, der Landkreis in seinem Bereich für 110. Die ältesten Brücken im Kreis stammen noch aus der Zeit vor 1900, die überwiegende Zahl stammt aus den Jahren zwischen 1960 und 1990. „Es war die Zeit, in der sich der Stahl- und Spannbetonbau verbreitete“, sagt Tanja Weber. „Diese ganzen Brücken stehen nun nach und nach zur Sanierung an.
Damit eine möglicherweise marode Brücke nicht übersehen wird, sind die Kontrollintervalle in einer bundesweiten Vorschrift, der DIN 1076, genau geregelt. So wird im Landkreis jede Brücke in etwa halbjährlichem Turnus von der Straßenmeisterei besichtigt. „Damit können Schäden oder Setzungen erkannt werden“, so die Straßenamtsleiterin. Alle drei Jahre erfolgt eine sogenannte einfache Prüfung, bei der ein Bauingenieur des Straßenamts mit einer Zusatzausbildung die Brücken genauer in Augenschein nimmt. „Das war bei uns 2015 der Fall“, sagt Weber.
Alle sechs Jahre steht bei den Brücken die Hauptprüfung an. Dabei nimmt ein externes Ingenieurbüro jede Brücke von allen Seiten ganz genau unter die Lupe und klopft Bauteile ab. „Dabei werden auch die Brückenlager und die Übergangskonstruktionen zur Fahrbahn kontrolliert. Das ist alles zeitaufwendig und kostenintensiv“, sagt Tanja Weber. In den Kategorien Verkehrssicherheit, Dauerhaftigkeit und Standsicherheit werden die Brücken anschließend benotet und ihr Gesamtzustand beurteilt. Im Notenbereich zwischen eins und drei besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf, ab Note vier muss sofort gehandelt werden.
„Brückentrupp“ist unterwegs
„Bei den Brücken, für die wir als Landkreis zuständig sind, gibt es derzeit keinen Bedarf, unmittelbar etwas zu machen“, sagt die Straßenamtsleiterin. Die Brücken seien in sehr gutem bis gutem Zustand. Damit dies so bleibt, sind zwei Mitarbeiter der Straßenmeisterei in Warthausen während der Sommermonate als „Brückentrupp“unterwegs und reparieren kleinere Schäden und Abplatzungen sofort. „Das vermeidet größere Sanierungsfälle und spart langfristig auch Kosten“, sagt die Straßenamtsleiterin.
Handlungsbedarf bestand in Einzelfällen dennoch. „Das Gesamtgewicht von Lastwagen hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zugenommen und wir mussten sichergehen, dass die Brücken die Last auch tragen können“, sagt Tanja Weber. So habe man in einigen Fällen die Fahrbahn auf der Brücke verengen müssen, damit nur jeweils ein Fahrzeug drüberfahren kann, so zum Beispiel geschehen an der Rißbrücke in Winterstettenstadt.
Diese wie auch die Rißbrücke bei Rißegg, die Schussenbrücke in Otterswang sowie die Brücke über einen Feldweg bei Dissenhausen sollen 2020/21 saniert werden. Bereits im kommenden Jahr lässt der Kreis die Brücke über die Rottum bei Reinstetten (Kreisstraße 7527), zwei Brücken über Feldwege zwischen Reinstetten und Wennedach sowie eine Brücke über die Bahnlinie bei Ummendorf (K 7502) ertüchtigen. Für alle diese Maßnahmen wurde Geld aus dem Brückenfonds des Landes beantragt oder bereits bewilligt.
In gutem bis befriedigendem Zustand sind nach Aukunft des städtischen Tiefbauamtsleiters die Brücken, für die die Stadt Biberach verantwortlich ist. „Wir haben im Moment nirgendwo einen kurzfristigen Handlungsbedarf“, sagt Peter Münsch. Zwischen 50 000 und 100 000 Euro gebe die Stadt jährlich für Brückenprüfungen aus, die ebenfalls nach der DIN 1076 erfolgen.
Privatisierung als Problem?
In diesen penibel eingehaltenen Prüfungen sieht Münsch den Unterschied zu dem Unglück in Italien. „Dort waren Straße und Brücke privatisiert. Und ein privater Betreiber möchte damit in erster Linie Geld verdienen und kümmert sich unter Umständen nicht so genau um den Zustand des Bauwerks wie eine Kommune oder das Land“, so Münsch. Da schiebe man eine Instandsetzung aus Kostengründen möglicherweise auch mal etwas hinaus. „Das ist bei uns in Biberach glücklicherweise kein Thema.“