Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Experte: Handel muss sich von „08 15-Ladenkonzepten“verabschieden
Denkmalgeschützte Gebäude können laut Verband Chance für Geschäftsleute sein – auch in Ravensburg
RAVENSBURG - Mit dem Weingartner Hof steht seit mehr als einem Jahr ein zentrales denkmalgeschütztes Gebäude in Ravensburg leer, statt zu neuem Leben zu erwachen. Soll das Erdgeschoss als Laden oder Restaurant genutzt werden, müsste bei der Umgestaltung der Denkmalschutz beachtet werden – das bedeutet Stress, sagt ein Experte des Handelsverbandes Deutschland. Aber der lohne sich.
Der Weingartner Hof war bis zum Sommer 2017 ein Standort der Stadtverwaltung. Der Eigentümer versucht schon seit Monaten, Handel oder Gastronomie in den unteren Stockwerken anzusiedeln. Bisher ohne Erfolg, wie die SZ berichtete.
„Ein Bestandsgebäude birgt immer die Gefahr, dass es nicht so ganz passt“, sagt der Bereichsleiter Standort- und Verkehrspolitik beim Handelsverband Deutschland, Michael Reink. Manche Händler wünschten sich Tageslicht, andere nicht. Viele Händler wollten gut geschnittene Räume. Säulen oder Zwischenwände passten da oft nicht so gut. „Jetzt könnte man schnell sagen: Denkmalschutz verhindert die Entwicklung solcher Gebäude zu Gewerbeflächen“, sagt Reink. Das sei aber zu kurz gegriffen.
Flair einer Innenstadt wichtig
Aus einer Studie wisse er, wie wichtig Kunden das Flair einer Innenstadt ist. Ein besonderes Ambiente entstehe aus Sicht der Kunden vor allem durch Häuser und die Gestaltung von Plätzen, so Reink. „Häufig sind die denkmalgeschützten Gebäude stadtbildprägend und für die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt wichtig.“
Deshalb könne es eine Chance sein, so einen Standort für ein Geschäft zu nutzen – auch, um sich gegen die Konkurrenz aus dem Internet zu wappnen. Bevor der Onlinehandel aufgekommen ist, sei der Kunde in den Laden gekommen, weil es nur dort das entsprechende Produkt zu kaufen gab. „Heute müssen wir an den Handelsstandorten mit Sachen punkten, die weit über das Produktangebot hinausgehen.“Dazu zähle die empfundene Einkaufsqualität, die trotz oder manchmal sogar gerade wegen des Denkmalschutzes für den Kunden besonders hoch sein könne.
Reink nennt als Beispiele einen Supermarkt, der sich in einem ehemaligen S-Bahn-Depot angesiedelt hat, und eine in Deutschland und Österreich aktive Warenhauskette, die sich sogar bewusst besondere Gebäude aussuche. In Bremen sei eine Filiale etwa in einer ehemaligen Bank untergebracht, die nicht einmal Schaufenster habe. „Da denkt man sich, das geht doch gar nicht. Aber es zieht die Menschen an“, sagt Reink. Für die Kette zahle sich so ein Standort mit einer bestimmten Wirkung auf das Image aus: Wo dieses Warenhaus ist, kauft man in interessanten Gebäuden ein.
Auf Leuchtreklame verzichten
Damit so was klappen kann, müsse sich der Händler vom „08 15-Ladenkonzept“wegbewegen und gegebenenfalls auch auf sonst übliche Leuchtreklame zugunsten des Denkmalschutzes verzichten. Aber auch die Denkmalschützer müssten gewillt sein, mit dem Handel in Dialog zu treten, so Reink. Schließlich wisse man, dass sich auch über Jahrhunderte die Nutzungsart der heute sehr alten Gebäude oft mehrfach geändert hat.