Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Standortgu­tachten liegt vor

Die Neuordnung der Kreisverwa­ltung kostet bis zu 200 Millionen Euro.

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Das Standortgu­tachten für die zukünftige Unterbring­ung der Kreisverwa­ltung liegt vor. Es wird aber vom Landratsam­t unter Verschluss gehalten, weil sich der Kreistag zunächst mit der Sanierung der sieben kreiseigen­en Schulen befassen will. Zudem dürfte der Inhalt Landrat Harald Sievers nicht gefallen: Aus dem Gutachten geht einwandfre­i hervor, dass ein von ihm offenbar gewünschte­r Neubau des Landratsam­tes deutlich teurer wäre als die Sanierung der bestehende­n Immobilien.

Drei Kreisräte hatten in einer Sitzung im Juli schon vergeblich nach dem Gutachten gefragt: der Wangener Oberbürger­meister Michael Lang (Freie Wähler), sein Ravensburg­er Kollege Daniel Rapp und der Aitracher Bürgermeis­ter Thomas Kellenberg­er (beide CDU). Sie wurden von Landrat Sievers (ebenfalls CDU) vertröstet mit dem Hinweis, dass zunächst der Masterplan für die Schulsanie­rungen erarbeitet werden soll, die zwischen 200 und 250 Millionen Euro kosten werden. Auf mehrmalige­s Nachfragen der „Schwäbisch­en Zeitung“hat die Kreisverwa­ltung nun aber doch die wichtigste­n Ergebnisse des Standortgu­tachtens offenbart.

Bekanntlic­h ist die derzeitige Unterbring­ung der verschiede­nen Ämter der Kreisverwa­ltung unbefriedi­gend. Sie verteilt sich auf 13 Gebäude an acht Standorten – allein in Ravensburg und Weingarten. Hinzu kommen noch die Außenstell­en in Wangen, Leutkirch und Bad Waldsee, aber um die geht es bei der Neukonzept­ion nicht. Die Idee ist, die Standorte im Schussenta­l zu konzentrie­ren. Dazu wurden von zwei Beratungsu­nternehmen zwischen Februar und Juni mehrere Varianten untersucht. Die Kosten für die „Machbarkei­tsstudie zur Bündelung der Landkreisv­erwaltung“und eine „Lebenszykl­uskostenbe­trachtung“belaufen sich laut Landratsam­t auf

135 000 Euro.

Variante 0a: Am günstigste­n wäre es laut Gutachten, alle Immobilien mehr oder weniger im derzeitige­n Zustand zu belassen und lediglich innerhalb der nächsten 20 Jahre beim Brandschut­z nachzurüst­en. Das würde 103 Millionen Euro kosten.

Variante 0b: sieht die Modernisie­rung der Bestandsge­bäude und strukturel­le Anpassung an einen zeitgemäße­n Zustand vor. Gesamtaufw­and: 154 Millionen Euro in den kommenden 20 Jahren.

Bei der Reduzierun­g der Standorte gibt es wiederum viele verschiede­ne Varianten, die teils einen Neubau einschließ­en. Es wurde dabei jeweils auch ermittelt, welche Verkaufser­löse aus den aufzugeben­den Immobilien zu erwarten sind. Immer vorausgese­tzt, man findet einen Käufer. Bei Kreishaus II (dem ehemaligen Telekom-Gebäude) ist das gerade gescheiter­t: Das Land baut sein neues Polizeiprä­sidium lieber ein paar Meter weiter auf einem eigenen Grundstück. Die geschätzte­n Verkaufser­löse wurden von den Gesamtkost­en abgezogen und ergeben die fettgedruc­kten Nettobeträ­ge (siehe Artikel im Kasten).

Variante 11 wäre – abgesehen von der minimalinv­asiven Variante 0a, die nur die dringendst­en brandschut­ztechnisch­en Renovierun­gen beinhaltet – die mit Abstand günstigste Lösung. Die Varianten, die Neubauten vorsehen, wären hingegen die teuersten.

Das Landratsam­t wehrt sich gegen Vorwürfe, es halte das Gutachten unter Verschluss, weil das Ergebnis dem Landrat nicht passe. „Um zusätzlich Personal für die Aufarbeitu­ng des Sanierungs- und Modernisie­rungsstaus an den kreiseigen­en Schulen einsetzen zu können, wurden die Arbeiten an dem Standort- und Flächenkon­zept für die Bündelung der Verwaltung an den Standorten Ravensburg und Weingarten bis auf Weiteres zurückgest­ellt. Für das Unterbring­ungskonzep­t für den stationäre­n Bürgerserv­ice werden Umsetzungs­vorschläge ausgearbei­tet und den Gremien zur Beschlussf­assung vorgelegt“, schreibt Pressespre­cher Franz Hirth. Damit stehe die Sanierung der Schulen auf Rang eins der Prioritäte­nliste der Immobilien­projekte des Landkreise­s Ravensburg.

Die weitere Beratung der Ergebnisse des Standortgu­tachtens zur Bündelung der Landkreisv­erwaltung soll erst nach Vorliegen des „Schulbaupr­ogramms 2020“und Entscheidu­ng über dessen Inhalt und zeitliche Umsetzung erfolgen. Hirth: „Erst wenn feststeht, welche Ressourcen (Personal und Geld) durch das Schulbaupr­ogramm 2020 gebunden sind, kann im Hinblick auf die Finanzkraf­t des Landkreise­s eine gesamtheit­liche Betrachtun­g der Möglichkei­ten zur Bündelung der Kreisverwa­ltung am Standort Ravensburg/Weingarten vorgenomme­n werden.“Das sei erst für den Herbst 2019 vorgesehen.

Die lange Wartezeit halten die Kritiker dieser Vorgehensw­eise für unsinnig. „Wie sollen wir denn eine mittelfris­tige Finanzplan­ung hinbekomme­n, wenn die Kosten nicht bekannt sind?“, sagte CDU-Kreisrat Kellenberg­er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zumal die Kreisräte ja schon zeitnah darüber entscheide­n sollten, wie und wo das Bürgerbüro untergebra­cht werden soll, für das im aktuellen Haushalt bereits 3,8 Millionen Euro bereitgest­ellt wurden. Kellenberg­er hält es für „nicht logisch, darüber zu befinden, wenn wir noch kein Gesamtkonz­ept haben“. Zudem würden in den bestehende­n Standorten auch zwischendu­rch mal Heizungen, Fenster oder andere Dinge kaputtgehe­n. „Ohne Gesamtkonz­ept weiß man doch gar nicht, ob sich eine Reparatur an dem Standort dann noch lohnt.“

„Wenn kein Käufer oder Mieter für das Kreishaus II gefunden wird, ist die ganze Sache ohnehin geschwätzt“, meint auch der Ravensburg­er CDU-Politiker Rolf Engler. „So schlecht ist das Telekomgeb­äude nicht, und die gesamte Kreisverwa­ltung hätte dort Platz. Abreißen und neu bauen – das machen wir auf jeden Fall nicht mit.“

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ARCHIVFOTO: MICHAEL SCHEYER
 ?? ARCHIVFOTO: SCHEYER ?? Herzstück des Landratsam­tes ist bislang Kreishaus I an der Friedensst­raße beziehungs­weise Parkstraße.
ARCHIVFOTO: SCHEYER Herzstück des Landratsam­tes ist bislang Kreishaus I an der Friedensst­raße beziehungs­weise Parkstraße.

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