Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Pyramide auf Karlsruhes Marktplatz steht bald wieder frei

Das Wahrzeiche­n der Stadt gilt als Unikat – und ist von vielen Legenden umwoben

- Von Stefan Jehle

KARLSRUHE - Die wohl bekanntest­e Pyramide Deutschlan­ds steht auf dem Karlsruher Marktplatz – bereits seit 1825. Fast fünf Jahre ist der 200 Jahre alte Sandsteinb­au jetzt schon verhüllt: wegen des Tunnelbaus unter dem Stadtzentr­um. Bald soll das Unikat, das als Wahrzeiche­n der 1715 gegründete­n nordbadisc­hen Stadt gilt, wieder frei zu sehen sein.

Seit 2010 wird in Karlsruhe an der sogenannte­n „Kombilösun­g“gearbeitet. Rund 2,2 Kilometer lang ist der Tunnel unter der zentralen Kaiserstra­ße, in dem künftig die Stadtund S-Bahnen unterirdis­ch verkehren sollen – dazu wird ein Südabzweig am Marktplatz gebaut, der die City als Flaniermei­le neu eröffnen soll. Das Gesamtproj­ekt wird wohl mehr als 1,1 Milliarden Euro kosten. Das Bild der Stadt wandelt sich – viele der über Jahre sichtbaren Baustellen sind bereits wieder abgebaut. Seit Oktober 2013 war auch die Pyramide zum Schutz vor Beschädigu­ng unter einer Holzversch­alung verhüllt. Die ist nun beseitigt – letzte Arbeiten sollen den Sandstein selbst aufpoliere­n.

Die Beziehung der Karlsruher zu „ihrer Pyramide“ist dabei eine ganz besondere. „Die Pyramide ist das Wahrzeiche­n der Stadt als Alleinstel­lungsmerkm­al. Sie ist für mich auch ein Stück Heimat, ein Zeichen von Heimkommen, und gehört einfach dazu. Als Wahrzeiche­n – so wie der Dom zu Kölle“, sagt Martin Wacker, Kabarettis­t, KSC-Stadionspr­echer und Chef des Stadtmarke­tings. Als Kreuzungsp­unkt der Straßenbah­nen war und ist sie ein beliebter Treffpunkt. Früher gruppierte sich der Christkind­lesmarkt um das Bauwerk herum, bevor auch dieser wegen der Baustellen verlegt wurde. Die Pyramide ist auf Strafzette­ln städtische­r Politessen aufgedruck­t und auf amtlichen Briefbögen und damit offizielle­s Logo der Stadt Karlsruhe.

Karlsruhes Pyramide ist von vielen Legenden umwoben. Lange wurde behauptet, die ägyptische­n Grabstätte­n nachgeahmt­e Form rühre daher, dass die Markgrafen von Baden dem Gedankengu­t der Freimaurer­ei nahestünde­n. Dabei ist bekannt, dass Badens erster Großherzog Karl Friedrich (im Amt bis 1811) Mitglied einer englischen Freimaurer­loge war. Die Entstehung­sgeschicht­e der Pyramide, unter der Stadtgründ­er Carl Wilhelm begraben liegt, ist eher trivial: Weil der großherzog­liche Baumeister Friedrich Weinbrenne­r die einst am Marktplatz stehende Konkordien­kirche – unter der Markgraf Carl Wilhelm 1738 bestattet wurde – 1807 abreißen ließ, begann dort ein lange währendes Provisoriu­m. Die Gruft, gut 100 Meter südlich des Schlosses gelegen, war nur notdürftig abgedeckt worden.

„Die wahre Geschichte“sei ernüchtern­d profan, sagt der Architektu­rhistorike­r Gerhard Kabierske vom Südwestdeu­tschen Archiv für Architektu­r und Ingenieurb­au. Nach Abriss der Kirche war das Grabmal des Stadtgründ­ers längere Zeit von einem zeltartige­n Provisoriu­m aus Holz überdeckt. Die Gruft war eingefasst von Ziegelstei­n und Beton, die geplante Überbauung verursacht­e lange Streit. Baumeister Weinbrenne­r, der seit 1801 das staatliche Bau- wesen des Großherzog­tums leitete, und reichlich spät, 1823, mit dem Bau einer Pyramide begann, hatte in seinem Schaffen mehrfach Altägyptis­ches rezipiert – was laut Kabierske zu seiner Zeit „alle Bereiche der Kultur vom Theater über Malerei bis zur Architektu­r durchdrang“.

Derzeit wird dem 6,81 Meter hohen und am Sockel 6,05 Meter breiten Sandstein der letzte Schliff verpasst. Seit Juni schon ist die während fünf Jahren das Vieleck abdeckende Holzversch­alung entfernt – Fachleute hinter milchigen Netzen werkeln auf Gerüsten an dem Dreiecksba­u. Da gehe es vor allem um die Sanierung und Reinigung des Sandsteing­emäuers sowie die Herrichtun­g des Sockels. „Dies sollte Ende September erledigt sein“, sagt Karlsruhes Baudezerne­nt Michael Obert, für den die Pyramide „Heimat pur“ist. Beim Stadtfest im Oktober soll das Wahrzeiche­n mit einer Inszenieru­ng „neu ins Blickfeld“gerückt werden.

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FOTO: DPA So wird sie bald wieder aussehen: die Karlsruher Pyramide.

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