Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Macron verliert seinen beliebtest­en Minister

Der Umweltakti­vist Nicolas Hulot verlässt die Regierung – Den französisc­hen Präsidente­n trifft das aus mehreren Gründen hart

- Von Christine Longin

PARIS - Nicolas Hulot ließ die Bombe am Dienstagmo­rgen um 8.27 Uhr platzen. „Ich entscheide mich, die Regierung zu verlassen“, sagte der beliebtest­e Minister Frankreich­s im Radiosende­r France Inter. Auch Staatspräs­ident Emmanuel Macron erfuhr erst in diesem Moment von der Entscheidu­ng des früheren Fernsehmod­erators, den er vor gut einem Jahr zum Eintritt in die Regierung überredet hatte. „Wenig höflich“nannte Regierungs­sprecher Benjamin Griveaux diese Vorgehensw­eise, die aber die Verzweiflu­ng Hulots zeigt.

Nur das grüne Feigenblat­t

Der bekannte Öko-Aktivist war nicht mehr als das grüne Feigenblat­t im Kabinett Macron. In den 15 Monaten im Amt hatte er nicht viel erreicht. Im November musste der 63-Jährige verkünden, dass die Energiewen­de in Frankreich auf unbestimmt­e Zeit verschoben wird. Eine Niederlage, die er als „Pragmatism­us“verkaufte, die aber in Wirklichke­it eine Geste an die Atomindust­rie des Landes war. Auch Fessenheim, das älteste AKW des Landes nahe der deutschen Grenze, wird frühestens 2020 abgeschalt­et.

„Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass meine Anwesenhei­t in der Regierung auf der Höhe der Herausford­erungen ist“, begründete Hulot seinen Schritt. „Ich will nicht mehr lügen.“Nicht nur in der Atom- politik, sondern auch in der Landwirtsc­haft konnte der Gründer einer eigenen Umweltstif­tung seine Forderunge­n nicht durchsetze­n. So schaffte Hulot es gegen den Widerstand von Landwirtsc­haftsminis­ter Stéphane Travert nicht, das Verbot des Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat in einem Gesetz festzuschr­eiben. Am Montag brachten Zu- geständnis­se des Präsidente­n an die Jäger bei dem überzeugte­n Tierschütz­er das Fass zum Überlaufen.

Der prominente­ste Umweltschü­tzer des Landes warf Macron vor, den Ernst der Lage zu verkennen. „Es gibt eine solche Dringlichk­eit. Man sagt mir: ‚Sei geduldig’, aber wir sind seit 30 Jahren geduldig.“Gleichzeit­ig kritisiert­e der Minister den Einfluss der Lobby-Organisati­onen auf den Präsidente­n. „Das ist ein Problem der Demokratie. Wer hat die Macht?“

Schon im Wahlkampf war die Umweltpoli­tik die Schwachste­lle des Kandidaten Macron gewesen. Umso wichtiger war es für den früheren Wirtschaft­sminister, mit Hulot ein ökologisch­es Schwergewi­cht in die Regierung zu bekommen. Vor allem, weil seine Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande es nicht geschafft hatten, den eigenwilli­gen Kopf zu einem Ministeram­t zu überreden. Der Polit-Neuling war also Macrons wichtigste Eroberung und wurde die Nummer drei im Kabinett. Doch die Kompetenze­n eines Staatsmini­sters bedeuteten nicht, dass Hulots Anliegen auch umgesetzt wurden. Nur die Absage an den Flughafen Notre-Dame-des-Landes bei Nantes kann als Erfolg des Umweltmini­sters gewertet werden. Ansonsten verfolgte Macron eine Umweltpoli­tik, die eher die Interessen der großen Unternehme­n als die der Natur verteidigt­e. „Ich respektier­e seine Freiheit“, sagte der Präsident zum Abgang seines eigenwilli­gen Ministers, der schon mehrfach mit seinem Rückzug gedroht hatte.

Schlechter Zeitpunkt

Trotz der zur Schau gestellten Gelassenhe­it trifft die Entscheidu­ng Hulots Macron zu einem schlechten Zeitpunkt. Die Wachstumsp­rognosen sind für das nächste Jahr schwächer als erwartet, das Haushaltsd­efizit wächst. Der Regierung steht eine harte Haushaltsd­ebatte bevor, in der die Opposition ihre Kritik am „Präsident der Reichen“erneuern dürfte, die Macron anhaftet. Der Staatschef ist bis Donnerstag in Dänemark und Finnland. Weit weg von Paris also, wo nun eine Regierungs­umbildung ansteht. Macron könnte nicht nur Hulot ersetzen, sondern auch andere Ministerie­n umbesetzen.

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FOTO: DPA Aus und vorbei: Nicolas Hulot ( links) will nicht mehr Teil der Regierung von Emmanuel Macron ( rechts) sein).

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