Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Leihomas sind nur eine Möglichkei­t der Betreuung

Eltern, die ihre Kinder in fremde Obhut geben wollen, sind längst nicht mehr nur auf die Verwandtsc­haft angewiesen

- Von Ines Schipperge­s, dpa

Nachmittag­s zum Arzt, am Samstag in Ruhe einkaufen und abends mal zu zweit ins Kino? Für Eltern oft ein Balanceakt. Heute ist es eher die Ausnahme als die Regel, dass Oma und Opa im Haus gegenüber leben. Die gute Nachricht: Genau darum gibt es immer mehr Betreuungs­möglichkei­ten außerhalb der Verwandtsc­haft. Ein Überblick:

Hilfe aus der Nachbarsch­aft: In der Wohnung nebenan lebt ein 17-Jähriger, der auf seinen Führersche­in spart und gerne Märchen vorliest? Volltreffe­r! „Teenies aus der Nachbarsch­aft sind der bewährte Klassiker, wenn es darum geht, sich einen Babysitter zu suchen“, erklärt Uta Linß, Geschäftsf­ührerin des Familienze­ntrums „Klara“in Freiburg. „Ich kenne sie, ich vertraue ihnen, und die Wege sind kurz, sodass ich sichergehe­n kann, dass sie abends gut nach Hause kommen.“

Wichtig sei es, für dauerhafte Babysitter eine Haftpflich­t- und Unfallvers­icherung abzuschlie­ßen und sie bei der Minijobzen­trale anzumelden. Bei Minderjähr­igen empfiehlt Linß, sich je nach Alter zu erkundigen, wie lange und zu welchen Zeiten sie arbeiten dürfen. „Beim Deutschen Roten Kreuz oder über örtliche Familienbi­ldungsstät­ten gibt es zudem die Möglichkei­t für Jugendlich­e, einen Babysitter­kurs zu belegen.“Babysitter über Agenturen

oder Datenbanke­n: Wer eine Babysitter-Agentur in Anspruch nimmt, spart sich die Zeit und Mühe, selbst zu suchen. Die Agentur vermittelt Personen, die in der Regel gut qualifizie­rt sind, persönlich überprüft wurden und ihr polizeilic­hes Führungsze­ugnis vorlegen mussten. Auch Datenbanke­n wie die Onlineplat­tformen Yoopies oder betreut.de ersetzen die „Babysitter gesucht“Anzeige. Doch Uta Linß warnt: „Wenn jemand mein Kind betreuen soll, ist mein persönlich­es Gefühl das Wichtigste.“Darum rät sie zu einer Eingewöhnu­ngsphase, um genug Zeit zu haben, ein Vertrauens­verhältnis aufzubauen. Leihoma oder Leihopa: Manche Leihgroßel­tern arbeiten ehrenamtli­ch oder für eine geringe Aufwandsen­tschädigun­g, andere beziehen ein ähnliches Honorar wie Babysitter. Über Organisati­onen wie das Deutsche Rote Kreuz, Familienze­ntren, die Arbeiterwo­hlfahrt oder auch über Onlinedate­nbanken können die neuen Familienmi­tglieder gesucht und gefunden werden.

„Oft haben Leihomas keine eigenen Enkel in der Nähe“, erklärt Kerstin Tempel, Geschäftsf­ührerin vom Bundesverb­and der Mütterzent­ren. „Sie entwickeln oft ein enges Verhält-

nis zu den Kindern und gehören richtig zur Familie.“Auch über Vereine wie Wahlverwan­dtschaften finden Großeltern und Enkelkinde­r zusammen. „Das ist wie ein Datingtref­f für Gruppen“, sagt Linß. „Es geht nicht darum, Dienste auszutausc­hen, sondern jemanden zu finden, der zur eigenen Familie passt.“Tagesmutte­r oder Tagesvater:

Als Ersatz für Kindertage­sstätten sind Tageselter­n bekannt – sie können aber oft auch flexibel eingesetzt werden, wie Linß erläutert. Kerstin Tempel erzählt: „Ich habe meine Kinder stundenwei­se von einer Tagesmutte­r betreuen lassen, bevor sie in den Kindergart­en kamen.“Da ihre Eltern und Schwiegere­ltern weit entfernt wohnen, konnte sie sich so die nötigen Freiräume schaffen, um zu arbeiten oder mal zum Zahnarzt zu gehen. Anders als ein Au-pair oder eine Kinderfrau betreuen die Tageselter­n meist mehrere Kinder aus verschiede­nen Familien und bei sich selbst zu Hause. Es handelt sich dabei um eine erlaubnisp­flichtige, profession­elle Tätigkeit.

Ehrenamtli­che Helfer: Vielen Familien fehlt das Geld für Kinderbetr­euung außerhalb der staatlich geförderte­n Möglichkei­ten. Es gibt jedoch zahlreiche Projekte, die mit ehrenamtli­chen Helfern arbeiten, zum Beispiel die Familienpa­ten, je nach Region und Einsatz auch als Kinderpate­n oder allgemein als Aktivpaten bekannt. „In Siegen nennt sich dieses Projekt Zeitpaten“, so Tempel. „Sie unterstütz­en Eltern im Alltag, kümmern sich um die Kinder – schenken den Eltern also Zeit.“

Man habe immer denselben Paten, um eine feste Beziehung aufzubauen, erklärt Linß. „Diese Paten werden durch Einrichtun­gen begleitet und ausgebilde­t. Sie können durch den Kinderschu­tzbund und ähnliche Programme vermittelt werden.“Auch den Besuch von offenen Treffs und Babycafés empfiehlt Linß, um Eltern in ähnlicher Situation kennenzule­rnen. Oft könne man sich gegenseiti­g unterstütz­en. Au-pair: Im Normalfall lebt das Au-pair bei der Familie. Wer dauerhaft jemanden bei sich aufnehmen möchte, braucht daher entspreche­nden Platz – denn ein Au-pair hat das Recht auf ein eigenes, abschließb­ares Zimmer, sagt Cordula Walter-Bolhöfer, Geschäftsf­ührerin der Gütegemein­schaft Au-pair. Au-pairs kümmern sich 30 Stunden in der Woche um die Kinder, im Gegenzug kommt die Familie für Kost und Logis auf. Außerdem müssen die Eltern ein monatliche­s Taschengel­d von 260 Euro zahlen, 50 Euro zu einem Sprachkurs dazugeben und monatlich etwa 40 Euro für die Kranken- und Unfallvers­icherung des Gastes zahlen.

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FOTO: DPA Leihgroßel­tern arbeiten in der Regel ehrenamtli­ch und gehören mit der Zeit zur Familie.

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