Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Fast schon arrogant“: Löw gibt Fehler zu

Bundestrai­ner räumt persönlich­e Fehler ein, seine neue DFB-Elf gleicht aber der alten

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Fußball-Bundestrai­ner Joachim Löw (Foto: dpa) hat in einer ausführlic­hen Analyse des WM-Desasters eigene Fehler eingestand­en. Ohne Co-Trainer Thomas Schneider will er nun zurück an die Spitze. Vorerst setzt Löw dabei nicht mehr auf Sami Khedira. In den Kader für das Spiel gegen Frankreich (6. September) berief er dagegen die Neulinge Kai Havertz, Thilo Kehrer und Nico Schulz. SPORT

MÜNCHEN (SID/falx) - Deutliche Selbstkrit­ik, aber nur ein Umbruch „light“: Wochenlang haben die Fans auf die Analyse des WM-Desasters gewartet, am Mittwoch hat Bundestrai­ner Joachim Löw erfrischen­d offen eigene Fehler eingestand­en. „Ich war fast arrogant“, gab Löw zu. Der Coach will mit altem Feuer sowie einer sanft modernisie­rten Nationalma­nnschaft , zurück an die Weltspitze. „Wir knicken deswegen nicht ein“, sagte Löw über das Ausscheide­n in der Vorrunde. „Ich bin überzeugt von unserer Klasse und sicher, dass wir das hinbekomme­n.“Beim Neuanfang nach dem historisch­en Russland-Debakel mit den Länderspie­len gegen Weltmeiste­r Frankreich (6. September in München/Nations League) und drei Tage später gegen Peru (Sinsheim/Test) verzichtet Löw mit dem früheren Stuttgarte­r Sami Khedira nur auf eine Säule. Das sind Löws Lehren aus dem Desaster:

Seine Selbsteins­chätzung:

Der Bundestrai­ner zeigte sich selbstkrit­isch, sprach von einem „absoluten Tiefschlag. Da gibt es nichts zu beschönige­n. Wir sind alle weit unter den Möglichkei­ten geblieben und haben zu Recht die Quittung dafür bekommen“. Nach Tagen des Frusts habe er aber gemeinsam mit Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff gespürt, auch weiterhin „die große Motivation, Energie, Kraft und Begeisteru­ng“zu haben, „dass wir das Schiff wieder auf Kurs bringen“. Kurz: „Ich freue mich, wenn es endlich wieder losgeht.“

Die Analyse:

Sein „allergrößt­er Fehler“sei gewesen, nur mit dominantem Ballbesitz­fußball durch die Vorrunde kommen zu wollen. Während man bei der WM 2014 die „goldene Mitte“gefunden habe, war es nun so: „Ich wollte das auf die Spitze treiben, das perfektion­ieren. Da war ich fast arrogant.“Er sei zu großes Risiko gegangen. Zudem habe er es nicht geschafft, „das Feuer, das man braucht, zu schüren, und neue Schlüsselr­eize zu setzen, dass alle mit großer Leidenscha­ft, Einsatz, Zweikampfs­tärke agieren. Wir hatten nur eine kleine Flamme.“

Die Konsequenz­en:

Löw will die Mannschaft wieder zu einer stabile- ren und flexiblere­n Spielweise führen. „Unsere Spielweise adaptieren“, nannte Löw das. Außerdem werde er Attribute wie Leidenscha­ft und Einsatz wieder „stärker einfordern. Wir müssen nach dem Debakel ein Jetzterst-recht-Gefühl hinbekomme­n.“Oliver Bierhoff kündigte zudem an, den Verhaltens­kodex für die Profis überarbeit­en zu wollen.

Sein Verhältnis zu Mesut Özil:

Löws Lieblingss­chüler reagierte nach seinem krachenden DFB-Rücktritt und Rassismusv­orwürfen im Zuge der Erdogan-Affäre nicht auf Löws Versuche der Kontaktauf­nahme via Telefon und SMS. Löw wirkte darüber persönlich enttäuscht. Vor und während der WM habe die sportliche Leitung das Thema „absolut unterschät­zt“, räumte Löw ein. „Dieses Thema hat Kraft gekostet, dieses Thema war nervenaufr­eibend, weil es immer wieder da war.“

Die neue Mannschaft:

Wie erwartet ist Sami Khedira, der während der WM überspielt und müde wirkte, das einzige „Bauernopfe­r“. In Kai Havertz (Bayer Leverkusen), Thilo Kehrer von Paris St. Germain und Nico Schulz (TSG Hoffenheim) berief er drei Neulinge. 17 Spieler im 23- köpfigen Kader gehörten bereits in Russland zum WM-Aufgebot.

Die Grüppchenb­ildung:

Er könne das Thema auch nach einigen Gesprächen mit den Spielern „nicht verifizier­en“, betonte er. Natürlich gebe es in einer Mannschaft „Sprüche, es gab aber keine unüberbrüc­kbaren Differenze­n. Die Mannschaft ist gut klargekomm­en.“Immerhin räumte der Bundestrai­ner ein, „das wir nicht diesen unglaublic­hen Teamgeist wie 2014 hatten“.

Personelle Änderungen:

Das Betreuerte­am wird verkleiner­t. Man müsse die „Konzentrat­ion schärfen“, sagte Löw, „weniger ist mehr“. Bei einem Turnier werden künftig elf Personen, bei Länderspie­len sieben weniger zum „Team hinter dem Team“gehören. Prominente­stes Opfer ist Löws bisheriger Assistent Thomas Schneider, der frühere Trainer des VfB Stuttgart wurde als neuer Leiter zur Scouting-Abteilung weggelobt.

Fannähe:

Oliver Bierhoff kündigte nach der Kritik vor und nach der WM an, „Nahbarkeit und Bodenständ­igkeit wieder zu intensivie­ren. Wir müssen wieder Nähe aufbauen.“

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FOTO: IMAGO Selbstkrit­ik – 108 Minuten lang stellte sich Joachim Löw der Öffentlich­keit.

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