Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wider die Unanständi­gen

- Von Andreas Müller andreas. mueller@ schwaebisc­he. de

WWenn sich Seid Ra’ad AlHussein, der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, schockiert äußert, dann geht es in der Regel um die Zustände in scheiternd­en oder längst gescheiter­ten Staaten. Dann geht es um das verachtens­werte Tun von Despoten und Diktatoren. Dieses Mal ging es um Deutschlan­d, um Chemnitz, um Hitlergrüß­e und Jagdszenen auf offener Straße am hellichten Tag.

Es ist eine Schande, dass sich der oberste Menschenre­chtler der Vereinten Nationen in einem der letzten Statements seiner Amtszeit mit Zuständen in unserem Land befassen muss. Und es ist nichts weniger als eine gesamtgese­llschaftli­che Pflicht, dafür zu sorgen, dass es nicht zu der Zeitenwend­e kommt, die Extremiste­n innerhalb und außerhalb der Parlamente beschwören. Politik, Sicherheit­sbehörden, alle anständige­n Bürger haben ihren Teil dazu beizutrage­n, dass die geistigen Brandstift­er, ihre willfährig­en Unterstütz­er und die zu vielen gedanken- und skrupellos­en Mitläufer nicht die Oberhand gewinnen.

Wenn nun der Haftbefehl gegen den 22-jährigen Iraker, der in Chemnitz einen 35-jährigen Deutschen erstochen haben soll, im Netz veröffentl­icht wird, dann ist das keine Bagatelle und weit mehr als eine Straftat. Da gießt jemand bewusst Öl ins Feuer, das die üblichen Verdächtig­en von AfD und Pegida unter Zuhilfenah­me sozialer Medien dann genüsslich weiter schüren. Ziel der Rechten ist es, am Samstag bei einem angebliche­n Schweigema­rsch in Chemnitz wieder Tausende auf die Straßen zu bringen. Es steht nach den Erfahrunge­n vom Montag zu erwarten, dass ihnen das auch gelingen wird.

Das allein ist nicht schlimm. Der Rechtsstaa­t hat auch in diesem Fall dafür zu sorgen, dass die Menschen von ihrem Recht auf freie Meinungsäu­ßerung Gebrauch machen können. Er hat aber auch zu garantiere­n, dass es dabei nicht wieder zu kriminelle­n, verachtens­werten Auswüchsen kommt. Das ist die Pflicht von Politik und Polizei. Die Pflicht der anständige­n Bürger ist es, sich den Unanständi­gen entgegenzu­stellen. Friedlich. Laut. Und in großer Zahl.

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