Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Guter Sommer, schlechter Sommer
Während Obstbauern „Südtiroler Verhältnisse“loben, stehen andere vor verbrannter Erde
RAVENSBURG (sz) - Dass der langsam zu Ende gehende Sommer ein heißer war, ist unbestritten. Dass die Hitze vielen Landwirten zugesetzt hat, ist ebenfalls Fakt. Mancherorts stehen Bauern gerade im Norden und Osten des Landes vor den Trümmern ihrer Existenz. Doch es gibt auch Landwirte, denen die anhaltende Hitze des Sommers 2018 in die Karten gespielt hat. Die „Schwäbische Zeitung“zeigt Momentaufnahmen von der Ostalb und vom Bodensee.
ELLWANGEN/LINDAU - Wie viele Stunden dichter Sonneneinstrahlung und flirrender Hitze es jetzt noch braucht, bis der verdorrte Mais auf den Feldern von Hubert Kucher ganz von selbst zerplatzt und als Popkorn von den Pflanzen regnet, weiß der Landwirt auch nicht. Aber auch ohne dieses gallenhumorige Szenario reicht es ihm auch so schon. Denn auf manchen seiner Äcker tragen die Planzen weniger als die Hälfte einer normalen Ernte. Die sandigen Böden auf der Ostalb – Hubert Kucher bewirtschaftet seine Flächen in Ellwangen-Schrezheim – sind nicht eben dafür gemacht, lange Perioden ohne Regen einfach so wegzustecken. Und das merkt der Bauer jetzt, als er seine Hand durch den Mais gleiten lässt, der ihm nicht mal bis zum Hals reicht. Es raschelt wie Laub im Spätherbst, die Pflanzenblätter sind verdurstet.
Ebenso die Wiese unmittelbar nebenan. Gerade mal zwei Schnitte hat Kucher heuer machen können. Eigentlich Futter für seine 250 Stück Vieh, das von saftigem Gras im Moment nur träumen kann. Ein Spaziergang über diese verbrannte Erde erzeugt ein Geräusch, das dem Gehen auf harschem Altschnee gleicht. Jeder Schritt wirbelt Staub auf. Bauer Kucher zeigt mit dem Finger unten auf den Sportplatz und sagt: „Sehen Sie den Unterschied? Der Fußballplatz wird bewässert.“Tatsächlich ist der Kontrast gravierend: Hier ein trostloses Staubgrau bis Hellbraun, dort ein saftiges Grün. „Aber Bewässern, das geht bei uns halt nicht“, sagt Kucher und zuckt mit den Schultern. Die nahe Jagst tröpfelt mehr als dass sie fließt, ganz davon abgesehen, dass Wasser ohnehin nicht entnommen werden dürfte.
Kucher baucht keine Hilfe
Aber jammern wird man den 50-Jährigen wegen all dem dennoch nicht hören, denn: „Es ist zwar trocken, ja. Aber wir haben hier auf der Ostalb keine existenzbedrohende Situation.“Daher sei es ihm auch zuwider, jetzt auf den Zug aufzuspringen und Hilfen von der Politik zu fordern. „Die sollten nur die Leute bekommen, die sie jetzt auch wirklich brauchen“, sagt Kucher, der Vorsitzender des Bauernverbands Ostalb ist. Die Bauern im Norden und Osten des Landes nämlich, die gar nichts mehr ernten können. Hubert Kucher besitzt ein paar hundert Meter entfernt von seinem Dürremais ein anderes Feld nahe der Jagst. Und da ist die Situation eine ganz andere: Die Pflanzen ragen hoch in den stahlblauen Himmel, fast zweimal so groß wie der Bauer selbst. Warum das hier so ganz anders ist, kann Kucher auch nicht genau sagen. Doch obwohl dieser Mais grün und saftig wirkt, sind die Kolben verhältnismäßig klein geblieben. Erst sorge die Pflanze für sich selbst, dann gehe die Energie in die Frucht, sagt Kucher.
Energie und Frucht – das sind auch für Stefan Büchele aus Lindau am Bodensee zwei Begriffe, die zusammengehören. Der Obstbauer spaziert durch die Reihen seines Bioland-Betriebes und hat ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. „Wir leben hier auf der Insel der Glückseligen“, sagt der 47-Jährige, der sich über „Südtiroler Verhältnisse“freut. Ein Wetter wie heuer, darüber könne er nicht klagen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil er im vergangenen Jahr wegen des dramatischen Frosts im Frühjahr nur zehn Prozent einer normalen Ernte habe einfahren können.
Die gute Laune von Büchele rührt auch daher, dass das Obst, das nun nach und nach geerntet wird, auf vollkommen leergefegte Lager trifft und auf einen Markt, der – insbeson- dere für Bioware – gute Preise bringt. Damit sieht sich Büchele in seiner Haltung bestätigt, eben nicht um jeden Preis wachsen zu wollen und mit größer werdenden Mengen auch immer abhängiger zu sein von Großabnehmern. Sein Betrieb ist zwar klein, steht aber auf mehreren Säulen: Ferienwohnungen, Obst, Edelbrände, Apfelsaft und eine Kuriosität: einen 24-Stunden-Automat, der mittels EC-Karte sogar Hochprozentiges freigibt. Genug Arbeit für Stefan Büchele. „Aber auch die Möglichkeit, einmal zwischendurch einen Tag auf dem See zu verbringen“, sagt er, der es genießt, nicht diesen mächtigen Druck zu haben wie etwa Landwirte in der Milcherzeugung.
Subventionen schaden dem Image
Womit wir wieder bei Hubert Kucher auf der Ostalb wären, der neben der Milchwirtschaft auch eine Bullenmast betreibt – und der bei schlechter Maisernte oder verdorrten Wiesen Futter teuer zukaufen muss, um jedes Tier unter seinem Stalldach satt zu bekommen. Es stört ihn, wenn die Landwirte in der Bevölkerung oft nur als Subventionsempfänger wahrgenommen werden. Natürlich begrüßt Kucher jetzt die von Bund und Ländern beschlossenen Hilfen für Bauern, die es am härtesten getroffen hat. „Ich würde mir trotzdem wünschen, dass wir selber vorsorgen dürften.“Gemeint ist Bildung von steuerfreien Rücklagen, damit schlechte oder gar katastro- phale Jahre ausgeglichen werden könnten, ohne jedes Mal die Politik angehen zu müssen. „Das schadet dem Image der Bauern.“
Ob’s damit was wird? Hubert Kucher legt den Kopf schräg, kneift die Augen zusammen und lacht dann, was er ohnehin gerne macht. Seine grundsätzlichen Wesenszüge offenbaren sich am besten, wenn er sich selbst auf die Schippe nimmt: „Die Hauptschuldigen für den Klimawandel sind Kühe und Kinder, habe ich irgendwo gelesen“, sagt er, während sich hinter seinem breiten Grinsen das Lachen anbahnt. „Wenn das wirklich stimmt, dann stehe ich ganz schön schlecht da. Denn ich habe 250 Rinder und sechs Kinder.“Dann lacht er los. Laut, ehrlich und gerade so, als sei das das einzig wirkungsvolle Mittel in einer immer komplizierter und bisweilen verrückter werdenden Welt.
Dass die Gleichung gute Ernte = gutes Einkommen, schlechte Ernte = schlechtes Einkommen nicht immer aufgeht, weiß auch Bodenseeobstbauer Stefan Büchele. Eine Landwirtschaft in globalen Verstrickungen kann paradoxerweise auch bedeuten, dass eine besonders gute Ernte in verschiedenen europäi- schen Ländern am Ende zu weniger Einnahmen führt als eine schlechte Ernte mit hohen Marktpreisen. „Das kann man ein bisschen durch den eigenen Hofverkauf abfedern“, sagt Büchele. Natürlich auch nur bis zu einem gewissen Grad. Aber jeder Kunde, der ab Hof kaufe, helfe dabei, auch kleinere Betriebe zu stützen.
Das sieht Hubert Kucher ähnlich, der seine Milch auch ab Hof verkauft, für 50 Cent pro Liter. Damit ist er billiger als jeder Diskounter – und hat doch schon aus logistischen Gründen keine Chance gegen sie. „Mein Vater ist jetzt 86. Aber ich habe in meinem Berufsleben schon mehr trockene Sommer erlebt als er“, sagt Kucher auf die Frage, ob er den Klimawandel für etwas Reales und nicht für etwas Gefühltes hält. „Wir im Verband diskutieren viel über die Zukunft der Landwirtschaft.“Denn natürlich existieren heute schon Maissorten, die mit höheren Temperaturen und trockeneren Böden besser zurechtkommen. Gentechnisch veränderte. „Aber ich betone: Heute ist das noch nicht notwendig.“Aber niemand wisse, was die Zukunft bringe, betont Hubert Kucher nachdenklich, bevor er sagt: „Wir dürfen uns keine Denkverbote auferlegen.“
„Es ist zwar trocken, ja. Aber wir haben hier auf der Ostalb keine existenzbedrohende Situation.“ Hubert Kucher, Vorsitzender des Bauernverbands Ostalb