Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Das ist Augenwischerei“
RAVENSBURG - Die Einigung der Großen Koalition bei der Rente reicht für die Sicherung des Lebensstandards im Alter nicht aus. Das sagte Hilde Mattheis (Foto: dpa), Ulmer SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21, im Gespräch mit Daniel Hadrys.
Frau Mattheis, die Große Koalition möchte das Rentenniveau bis zum Jahre 2025 bei 48 Prozent stabilisieren. Reicht das Ihrer Meinung nach aus?
Die Einigung steht so bereits im Koalitionsvertrag. Sie reicht nicht aus. Für mich und die Demokratische Linke ist es wichtig, dass die Lebensstandardsicherung umgesetzt wird. Die liegt bei über 50 Prozent.
Die SPD wollte das Rentenniveau ursprünglich bis 2040 halten. Sind die Sozialdemokraten vor ihrem Koalitionspartner eingeknickt?
Ich würde das nicht als Einknicken bezeichnen. Ich finde generell, dass unsere Sozialversicherungen reagierende Systeme sind. Man muss sich immer auf die Gegebenheiten der Zeit einlassen. Einen Zeitraum bis 2040 kann man schlecht überblicken. Es kommt vielmehr darauf an, dass wir für die Zeit, in der viele Menschen in den Ruhestand gehen, eine armutsfeste, lebensstandardsichernde Rente haben. Dafür braucht es andere Mechanismen.
Wie könnten diese aussehen? Kritiker befürchten nun Mehrkosten für jüngere Generationen.
Für mich ist es kein Kampf der Generationen untereinander, es ist eigentlich ein Kampf von Arm gegen Reich. Es ist ein Verteilungskampf. Als solchen muss man unser Rentenversicherungssystem sehen. Wir fordern daher, ausreichend Steuergelder in das System zu geben, den Versichertenkreis auszuweiten und die Bezieher höherer Einkommen, vor allem aus Vermögen und Erbschaften, einzubezie
hen.
Wird jüngeren Generationen durch das jetzige System eine private Altersvorsorge auferzwungen?
Junge Menschen haben genau wegen dieser Verteilungsungerechtigkeit und der prekäreren Beschäftigungssituation weniger Sicherheit fürs Alter. Das äußern sie immer wieder. Die private Vorsorge, das Riestersparen, hat sich als Flop gezeigt. Darauf muss man reagieren. Das einzige, was konjunkturabhängig und sicher ist, ist das Umlagesystem. Das muss gefestigt werden. Das ist Augenwischerei und eine Sauerei, was mit jungen Menschen passiert.