Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Inflation zehrt Lohnzuwachs auf
Löhne und Gehälter steigen weiter – Tarifbeschäftigte haben nichts davon – Konsumlaune verdorben
WIESBADEN/NÜRNBERG (dpa) - Die steigende Inflation in Deutschland macht Arbeitnehmern und Verbrauchern zunehmend zu schaffen. Obwohl die Verdienste von Tarifbeschäftigten im Schnitt zuletzt deutlich nach oben kletterten, blieb ihnen unterm Strich nicht mehr im Geldbeutel. So stiegen die Löhne und Gehälter von Angestellten mit Tarifvertrag im zweiten Quartal um 2,0 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die Inflation nahm aber ebenfalls um diese Rate zu, sodass real nicht mehr übrig bleibt.
Höhere Preise etwa für Energie sowie die niedrigen Zinsen drücken auch die Verbraucherstimmung. Für September sagt das Nürnberger GfKInstitut eine leichte Verschlechterung des Konsumklimas gegenüber dem Vormonat voraus. „Die Menschen sehen, dass sie für ihr Geldvermögen kaum Zinsen erhalten, aber auf der anderen Seite mit einer Geldentwertung von zwei Prozent rechnen müssen“, erklärte Konsumforscher Rolf Bürkl. Derzeit seien Verbraucher nicht mehr ganz so schnell zu größeren Ausgaben bereit.
Dass die Inflation die Lohnzuwächse der Tarifbeschäftigten aufzehrt, ist laut der Wiesbadener Sta- tistiker auf mittlere Sicht aber eher die Ausnahme. Im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs steigen die Verdienste seit Jahren stärker als die Verbraucherpreise. „Vor allem seit 2013 sehen wir kräftige reale Zuwächse“, erklärte die Behörde. Nur Ende 2017 seien die Tarifverdienste hinter der Teuerung zurückgeblieben.
Grundsätzlich profitieren jedoch immer weniger Bundesbürger von Tarifverträgen. Wurden 1996 laut In- stitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 70 Prozent aller westdeutschen Beschäftigten nach Branchentarifverträgen entlohnt, waren es 2017 nur 49 Prozent. Im Osten sank der Anteil von 56 auf 34 Prozent. Gerade in der Dienstleistungsbranche gibt es den Experten zufolge viele kleine Firmen, in denen Gewerkschaften und Tarifverträge keine große Rolle spielen.
Steigende Kosten für Heizöl, Sprit und Nahrungsmittel hatten jüngst die Inflation hoch getrieben. Im Juli stieg sie binnen Jahresfrist um 2,0 Prozent, der dritte Monat in Folge mit einer Zwei vor dem Komma. Im ersten Quartal hatte die Teuerungsrate um 1,6 Prozent zugelegt – deutlich weniger als die Tarifverdienste (plus 2,5 Prozent).
Berücksichtigt in diesen Gehaltssteigerungen sind Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld. Ohne diese hätte der Zuwachs im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum 2,2 Prozent betragen.
Nicht in allen Branchen wurden die Gehaltszuwächse von der Inflation aufgezehrt: Im Baugewerbe (plus 5,1 Prozent), in der Industrie (3,7) sowie im Handel und Gastgewerbe (je 3,3) blieb Angestellten trotzdem ein Plus. Das Nachsehen hatten Tarifbeschäftigte bei Banken und Versicherungen (plus 0,8) und im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (0,6).
Allerdings wurden die im April vereinbarten Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst noch nicht ausgezahlt, was den Zuwachs der Branchenbeschäftigten im zweiten Quartal drückte. Auch dürfte mit der Chemie-Industrie, die ab September bundesweit verhandelt, eine weitere Branche mit kräftigem Lohnplus folgen.