Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ist das Kunst oder muss das weg?

Stadt Wiesbaden lässt Erdogan-Statue wieder abbauen – Biennale stimmt Abbruch der Aktion zu

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WIESBADEN (epd/dg) - Nach nur 24 Stunden ist eine vier Meter große Statue des türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan in Wiesbaden wieder abgebaut worden. In Abstimmung mit der Landespoli­zei habe die Stadt Wiesbaden entschiede­n, die goldene Statue entfernen zu lassen, weil die Sicherheit nicht mehr weiter gewährleis­tet werden könne, teilte die Kommune am Dienstagab­end mit. Das Standbild war Teil des Kunstfesti­vals Wiesbaden-Biennale. Die Ausrichter zeigten sich mit dem Abbruch der Aktion einverstan­den.

Kalkuliert­e Polarisier­ung

Dass die Aufstellun­g einer vier Meter großen Statue des türkischen Staatspräs­identen auf dem Platz der deutschen Einheit polarisier­en werde, sei klar gewesen, sagte die Kommunikat­ionsleiter­in des Hessischen Staatsthea­ters Wiesbaden, Caroline Lazarou. Das Ausmaß von Auseinande­rsetzungen habe sich aber erst nach der Aufstellun­g gezeigt. Öffentlich­e Sicherheit gehe vor Kunst, stimmte Lazarou der Stadt zu. Die goldfarben lackierte Statue aus Beton zeigt Recep Tayyip Erdogan im Kunststil kommunisti­scher Staats- und Parteichef­s mit ernstem Gesichtsau­sdruck, den rechten Arm erhoben und den Zeigefinge­r ausgestrec­kt.

Nach Polizeiang­aben verlief der Abbau weitgehend friedlich. Die rund 100 Personen vor Ort seien der Aufforderu­ng, den Platz zu verlassen, ohne Weiteres nachgekomm­en. Das Kunstwerk sei von der Feuerwehr abtranspor­tiert worden. Ein Mann sei vorübergeh­end in Gewahr- sam genommen worden. Er habe nach der Räumung des Platzes andere Anwesende provoziert.

„Die Kunst muss das, was ist, sichtbar machen. Weil wir dann damit umgehen müssen“, zitierte Lazarou den Intendante­n des Staatsthea­ters als Veranstalt­er der WiesbadenB­iennale, Uwe Eric Laufenberg, zur Begründung der Statue. Kunst trete dann auf, wenn Emotionen plötzlich freigesetz­t werden, die schon da sei- en. „Sie sollen lieber an einem Kunstobjek­t ausagiert werden als in politische­n Auseinande­rsetzungen oder Kriegen“, zitierte die Sprecherin Laufenberg­s.

Der Magistrat der Stadt befasste sich am Dienstag mit der Kunstaktio­n, da sie „für zahlreiche Irritation­en gesorgt“habe, wie Pressespre­cherin Ilka Gilbert-Rolke sagte. Im Rahmen der im Grundgeset­z garantiert­en Kunstfreih­eit wollte die Stadt demnach die Statue nicht beanstande­n. Sie kündigte jedoch an einzuschre­iten, falls von dem Kunstwerk eine Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung ausgehe.

Nicole Fritz, Direktorin der Kunsthalle Tübingen und vorher Leiterin des Kunstmuseu­ms Ravensburg, sieht schon die Aufstellun­g der Erdogan-Statue kritisch: „Es ist ja heute ein Phänomen, dass ganz schnell über Bilder provoziert wird“, so Fritz zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Anstatt zu fragen, „wer spricht hier und warum?“, werde eine Symbolfigu­r wie Erdogan benutzt, um für die Biennale Aufmerksam­keit zu schaffen. „Für mich ist das zu flach“, betont die Kunst- und Kulturwiss­enschaftle­rin.

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FOTO: DPA Umfaller: Rund 24 Stunden nach dem Aufstellen ist die Statue des türkischen Staatspräs­identen Erdogan wieder abgebaut worden.

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