Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Digitaler Reigen im Hipster-Milieu

Die deutsche Komödie „Safari – Match Me If You Can“löst Fremdschäm-Anfälle aus

- Von Dieter Kleibauer

Es gibt diese Filme, die Schauspiel­er später nicht gedreht haben wollen, weil sie ihnen peinlich sind. Aber sie waren jung, sie brauchten das Geld, da greift man halt zu, um die Miete zu zahlen.

Was aber um alles in der Welt hat renommiert­e, gut bezahlte Schauspiel­er dazu bewogen, „Safari“zu drehen? 109 lange Minuten zeigen sie, dass sie sich, ob jung oder gesetzt, zum Affen machen können.

Doch der Reihe nach. „Safari“ist eine fiktive Dating-App nach durchaus reellen Vorbildern. In mehreren Episoden, die einander kreuzen und sich das Personal teilen, verfolgt der Zuschauer das Schicksal einiger Großstadt-Menschen, die doch alle nur das Glück suchen und eher nicht finden, weil das nicht so einfach ist.

Da ist der verheirate­te Pilot mit cooler Sonnenbril­le, der mit dem verpeilten Youtube-Sternchen Lara anbandelt – und der eigentlich nur U-Bahn-Fahrer ist. Da ist seine Ehefrau, eine Psychother­apeutin, die ihrem schüchtern­en Klienten David Tipps gibt, die große Liebe zu finden, da ist die eingefleis­chte Vegetarier­in Fanny, die auf der Suche nach einer Familie den smarten Blumenhänd­ler Arif kennenlern­t, da sind noch ein paar weitere Figuren, die umeinander kreisen.

Eine Konstellat­ion, die das Filmfest München, wo der Film im Sommer seine Premiere erlebt hat, allen Ernstes formuliere­n ließ, dass Regisseur Rudi Gaul Arthur Schnitzler­s „Reigen“ins digitale Dating-Heute übersetzt habe. Das ist nun einigermaß­en frech – der arme Schnitzler würde sich angesichts des komplett überspannt­en, überdrehte­n, überforder­ten Figurenens­embles in „Safari“im Grabe herumdrehe­n.

Nicht einmal formal ist sein Klassiker eine echte Vorlage – da will sich eine schick-moderne Produktion einfach an einen großen Namen anhängen und merkt vielleicht noch nicht einmal, wie groß die Fallhöhe vom echten „Reigen“, diesem Totentanz durch alle gesellscha­ftlichen Schichten, zum falschen im HipsterMil­ieu ist. Egal ob arrivierte Kräfte wie Sunnyi Melles, Justus von Dohnányi, Juliane Köhler oder Teeniestar­s wie Elisa Schlott und Janina Fautz – sie alle kennen kein Halten, wenn es darum geht, sich in möglichst peinliche Situatione­n zu begeben, die beim Zuschauer Fremdschäm-Attacken auslösen.

Das ist schade, ist doch Regisseur und Co-Autor Rudi Gaul 2011 mit dem sehenswert­en Dokumentar­film „WeckerWade­r – Vaterland“bekannt geworden, einem sensiblen Portrait der beiden Liedermach­er-Legenden. In „Safari“gerät er gänzlich aus der Spur – mit Sexszenen aus der Hölle und Akteuren, die lustig mit albern verwechsel­n.

Und wetten? In ein paar Jahren werden sich einige Beteiligte nicht mehr so gerne an ihre Szenen erinnern wollen.

Safari - Match Me If You Can. Regie: Rudi Gaul. Mit Sunnyi Melles, Juliane Köhler, Justus von Dohnányi, Max Mauff, Sebastian Bezzel, Friederike Kempter. Deutschlan­d 2018. Länge: 109 Minuten. FSK: 12 Jahre.

 ?? FOTO: DPA ?? Sunnyi Melles als Aurelie und Justus von Dohnányi als Harry.
FOTO: DPA Sunnyi Melles als Aurelie und Justus von Dohnányi als Harry.

Newspapers in German

Newspapers from Germany