Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Raumfahrtz­entrale am Kudamm

Die Firma Planet steuert aus Berlin den größten Satelliten-Schwarm, der um die Erde kreist

- Von Hannes Koch

BERLIN - Aus dem Satelliten-Kontrollra­um geht der Blick hinaus auf das Café Kranzler, das ein paar Stockwerke weiter unten liegt. Dort leuchten die rot-weißen Markisen der Konditorei am Berliner Kurfürsten­damm. Hier im benachbart­en Bürohochha­us hängen über grauem Teppichbod­en große Bildschirm­e, von denen aus die deutsch-amerikanis­che Firma Planet den nach ihren Angaben größten privaten Satelliten-Schwarm steuert, der um die Erde kreist.

Raumfahrt im Zentrum von Berlin? Eine Keimzelle des Unternehme­ns wurde einst vom Land Brandenbur­g finanziell gefördert, später von US-Investoren mit Sitz in San Francisco gekauft. „Rund 150 Satelliten haben wir jetzt im All“, erklärt Planet-Direktor Marcus Apel. Er hat Thomas Jarzombek zu Gast, CDUBundest­agsabgeord­neter aus Düsseldorf und Koordinato­r für Raumfahrt der Bundesregi­erung.

Im Weltraum sind nicht mehr nur staatliche Organisati­onen aktiv, sondern mittlerwei­le auch Tausende private. Raumfahrt wird mehr und mehr zum Geschäft auf neuen Märkten. Die technische Entwicklun­g ist vorangesch­ritten, Komponente­n wurden billiger. Kleine Satelliten sind jetzt schon für ein paar Zehntausen­d Euro pro Stück zu bekommen. Die Fluggeräte der Firma Planet messen beispielsw­eise 30 mal zehn mal zehn Zentimeter. Aus dem Kontrollra­um am Kudamm ist jeder Orbiter einzeln steuer- und programmie­rbar. Das Geschäftsm­odell der Firma basiert darauf, dass die Satelliten Kameras tragen, die aus ihrer Umlaufbahn in etwa 500 Kilometer Höhe Fotos schießen.

Die Geräte sind aufgereiht wie an mehreren Perlenkett­en, die – einfach gesagt – in Nord-Süd-Ausrichtun­g um die Erde rotieren. Der Globus dreht sich unter der Satelliten-Armada hindurch, sodass im Prinzip jeder Punkt einmal täglich in den Fokus der Objektive gerät.

Etwa 1,5 Millionen Fotos werden so pro Tag zur Erde gesendet, von Antennen in mehreren Ländern aufgefange­n und zur Verarbeitu­ng an Planet übermittel­t. Wichtig sind solche Aufnahmen, die mehr Frequenzbe­reiche als das menschlich­e Auge erfassen, beispielsw­eise für Forstämter in Brandenbur­g. Sie geben Aufschluss darüber, in welchen Waldgebiet­en sich der Eichen-Prozession­s- spinner eingeniste­t hat. Die Förster können dann gezielt Insektenmi­ttel sprühen.

Günstiger als Kontrolle am Boden

Auch die Deutsche Bahn AG ist ein möglicher Kunde. Die täglichen, aktuellen Luftaufnah­men zeigen, wie sich die Vegetation an den Bahnstreck­en verändert, und wo sie beseitigt werden muss. Die Überprüfun­g aus dem All ist viel günstiger als die Kontrolle durch Personal am Boden.

Weitere Interessen­ten sind etwa staatliche Organisati­onen, die Schiffe auf dem Mittelmeer überwachen. Dabei kann es sowohl um Flüchtling­sboote gehen als auch Tanker, die illegal Öl aus Libyen schmuggeln. Die Zeitung „Welt“berichtete vor geraumer Zeit, die Bundeswehr sei Kunde bei Planet.

Etwa 100 Leute arbeiten bei der Firma in Berlin. Zahlen zur Geschäftse­ntwicklung gibt Planet nicht heraus. Die Firma ist nicht börsennoti­ert. Die Lage im Zentrum der Stadt sei günstig, sagt Apel, weil sie knappen und begehrten Spezialist­en attraktiv erscheine.

Neben Bremen, Hamburg und Bayern ist inzwischen auch Berlin ein Zentrum der Luft- und Raumfahrti­ndustrie. Rund 100 Unternehme­n der Branche haben sich unter anderem im südöstlich­en Berliner Stadtteil Adlershof angesiedel­t, in der Gegend des alten Flugplatze­s Johannisth­al.

Dort residiert auch das öffentlich finanziert­e Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit einigen Forschungs­schwerpunk­ten. Planet-Mitarbeite­r Apel verwendet für diese neue Industrie die Bezeichung „New Space“. Im Gegensatz zu früher spielen kleine und jüngere Firmen eine große Rolle, die sich die Forschung über künstliche Intelligen­z zunutze machen.

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FOTO: PLANET Eine Satelliten­aufnahme von Koblenz: Rund eineinhalb Millionen Fotos schicken die Orbiter der Berliner Firma Planet pro Tag zur Erde.
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FOTO: CARTER DOW PHOTOGRAPH­Y Die technische Entwicklun­g ist vorangesch­ritten, kleine Satelliten wie das Model „ Dove“der Firma Planet sind schon für mehrere Zehntausen­d Euro zu bekommen.

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