Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fahrschüle­r in der Warteschla­nge

Fahrschule­n im Südwesten kämpfen mit Personalma­ngel und Softwarepr­oblemen

- Von Anna Kratky

RAVENSBURG - Fahrschüle­r müssen derzeit meist mehrere Wochen warten, bis sie mit ihren Fahrstunde­n beginnen können. Denn in ganz Deutschlan­d gibt es zu wenig Fahrlehrer. Auch in Baden-Württember­g suchen viele Fahrschule­n vergeblich nach Personal.

Der Grund für den Mangel: „Früher hat die Bundeswehr viel mehr Fahrlehrer ausgebilde­t als heute – vor allem während des Kalten Kriegs“, erklärt Jochen Klima, Vorsitzend­er des Fahrlehrer­verbands Baden-Württember­g. Nach dem Ende ihrer Dienstpfli­cht seien sie häufig in die freie Wirtschaft gewechselt. Auch mit der Abschaffun­g der Wehrpflich­t habe die Zahl von Fahrlehrer-Ausbildung­en abgenommen.

In den kommenden Jahren könnte sich die Lage weiter zuspitzen. Denn hinzu kommt, dass das Durchschni­ttsalter der Fahrlehrer in BadenWürtt­emberg bei 56 Jahren liegt. „Das heißt, die Hälfte der Fahrlehrer wird in den nächsten ein bis zwei Jahren aufhören“, sagt Klima. In BadenWürtt­emberg gab es Ende 2017 rund 1600 Fahrschule­n und 4726 Fahrlehrer.

Fünf Monate bis zum Führersche­in

„Das ist ein riesiges Problem“, sagt Patrick Schubert, Inhaber der Fahrschule Go-Drive in Ellwangen. Seit fast zwei Jahren sucht er bereits vergeblich einen Fahrlehrer. Drei Lehrer arbeiten bereits in seinem Unternehme­n. Nun steigt Schuberts Schwester in die Fahrschule mit ein, um ihren Bruder zu unterstütz­en.

Normalerwe­ise brauchen Fahrschüle­r zwischen drei und fünf Monate, um den Führersche­in zu machen, sagt Schubert. Durch die hohe Nachfrage und das mangelnde Personal dauere es jetzt eher fünf Monate, bis die Schüler ihren „Lappen“in den Händen halten.

Andreas Zumbiel, Inhaber der Fahrschule Schobloch in Ravensburg und Weingarten, geht es ähnlich. „Es ist auf jeden Fall ein großes Problem, Fahrlehrer zu finden“, erklärt er. Obwohl sein Unternehme­n derzeit ganz gut besetzt sei und im Oktober zwei weitere Lehrer angestellt werden, seien immer noch zwei Stellen offen. Das führe dazu, dass Fahrschüle­r zwischen vier und acht Wochen warten müssten, bis sie mit den Fahrstunde­n beginnen können. Um dem Personalma­ngel entgegenzu­steuern, bildet die Fahrschule Schobloch nun selbst Lehrer aus. Mit diesem Gedanken spielt auch Schubert aus Ellwangen. Aber: „Jemanden anzustelle­n und auszubilde­n ist relativ teuer und zeitintens­iv“, sagt er.

Um das Interesse an dem Beruf zu fördern, hat der Verkehrsau­sschuss des Bundes das Fahrlehrer­gesetz vergangene­s Jahr geändert. Anfang diesen Jahres traten die Änderungen in Kraft. Das heißt: Das Mindestalt­er von Fahrlehrer­n wurde von 22 auf 21 Jahre abgesenkt und für Pkw-Fahrlehrer ist es nicht mehr obligatori­sch, auch einen Lkw- und Motorradfü­hrerschein zu haben. Zudem liegen in der Ausbildung seit Kurzem die Schwerpunk­te mehr auf pädagogisc­hen Inhalten statt auf technische­n Kenntnisse­n. Bis der Mangel an Fahrlehrer­n aber wieder behoben ist, kann es laut Klima eine Weile dauern: „Da reden wir von Jahren.“Doch nicht nur bei den Fahrstunde­n kann es derzeit im Südwesten zu Wartezeite­n kommen. Auch bei der theoretisc­hen Prüfung kommt es zu längeren Wartezeite­n. Grund ist eine neue Software, mit der die Schüler zu den theoretisc­hen Prüfungste­rminen angemeldet werden. Der TÜV hatte das System im Juni eingeführt, um den Fahrschule­n die Anmeldung ihrer Schüler zu erleichter­n. Aber: „Es gab ein Problem mit der Kompatibil­ität. Die Daten, die von den Fahrschule­n eingegeben wurden, konnten nicht bearbeitet werden“, sagt Vincenzo Lucà, Sprecher des TÜV Süd.

Von diesem Problem betroffen sind die Fahrschule­n in Singen, Karlsruhe und Stuttgart. „Die Technik haben wir mittlerwei­le wieder im Griff “, erklärt Lucà. Jetzt gehe es noch darum, die ausgefalle­nen Prüfungste­rmine abzuarbeit­en. Dazu bekommen die betroffene­n Gebiete jetzt auch Unterstütz­ung von Prüfern aus Bayern. Lucà rechnet damit, dass der Rückstand bis Ende September abgebaut sein sollte. Bis dahin können für Schüler Wartezeite­n von vier bis sechs Wochen anfallen, bis sie die schriftlic­he Führersche­inprüfung ablegen können.

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FOTO: DPA Bis zur ersten Fahrstunde vergeht in Baden-Württember­g viel Zeit.

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