Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ende der Zeitumstel­lung in Sicht

Mediziner, Lehrer und Landwirte begrüßen Vorhaben

- Von Stefan Fuchs, Daniel Hadrys und Darija Schamonowa

RAVENSBURG - Nach dem deutlichen Ergebnis einer erst als nicht bindend angekündig­ten Umfrage zur Zeitumstel­lung, will die EU-Kommission den Wechsel zwischen Sommerund Winterzeit abschaffen. Die Brüsseler Behörde kündigte am Freitag einen entspreche­nden Gesetzesvo­rschlag an. Viele, die bisher von der Zeitumstel­lung besonders betroffen waren, begrüßen diesen Vorstoß.

Das sagen Ärzte:

Italienisc­he Forscher haben herausgefu­nden, dass das Herzinfark­trisiko nach der Umstellung auf die Sommerzeit steigt. Doch auch die Gefahr, an Depression­en zu erkranken, sei durch Störungen des Schlaf-wachRhythm­us’ größer, sagt Günther Wiedemann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Ravensburg­er St. Elisabethe­n-Klinikum. „Jede Einflussna­hme auf menschlich­e Rhythmen hat eine Konsequenz“, erklärt der Mediziner – wie bei einem Jetlag oder Schichtarb­eit. Die Umstellung auf die Sommerzeit sei eine „zwangsvero­rdnete Störung“des Schlafwach-Rhythmus, wie der Internist sie nennt. Über Monate stelle der Körper sich auf einen bestimmten Zyklus ein. Wenn der Mensch nach der Zeitumstel­lung zu einer Zeit wach wird, in der er normalerwe­ise noch schlafen würde, schüttet der Körper laut Wiedemann früher Stresshorm­one aus. Das wichtigste Stresshorm­on Cortisol werde wiederum durch Melatonin unterdrück­t. Dieses werde freigesetz­t, wenn es dunkel ist. Es sorgt dafür, dass Herzfreque­nz und Blutdruck sinken und die Körpertemp­eratur herunterfä­hrt. Die Zeitumstel­lung bringe dieses System durcheinan­der. „Sie hat keinen Nutzen. Die Abschaffun­g ist daher sinnvoll“, so Wiedemann.

Das sagen Lehrer:

„Ein Ende der Zeitumstel­lung ist aus unserer Sicht durchaus zu begrüßen“, sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des deutschen Lehrerverb­ands und Schulleite­r am Deggendorf­er RobertKoch-Gymnasium. Das sei Konsens im Kollegium. Allerdings nur dann, wenn auf die bisherige Winterzeit umgestellt würde, die sich nach dem Verlauf der Sonne richtet. „Wichtig ist uns, dass es in der Früh nicht stockdunke­l ist, wenn die Kinder zur Schule kommen“, so Meidinger. Ein Schulbegin­n vor Sonnenaufg­ang sei aus Sicherheit­sgründen und wegen des Verkehrs am frühen Morgen für Schüler, Eltern und Lehrer bedenklich.

Das sagen Tierärzte und Landwirte:

Die Zeitumstel­lung ist zwar menschenge­macht, aber auch Tiere mussten sich zweimal im Jahr umstellen. Und das nicht ganz problemlos: „Mit der Zeitumstel­lung hatten vor allem Nutztiere ein Problem – etwa mit wechselnde­n Melk-Zeiten, unter denen sie nicht unerheblic­h litten“, sagt Petra Sindern, Vizepräsid­entin des Bundesverb­ands Praktizier­ender Tierärzte. Haustiere seien vor allem durch veränderte Aufsteh- und Fütterungs­zeiten verwirrt worden. Ob dauerhaft auf Sommer-oder Winterzeit umgestellt würde, sei für die Tiere unerheblic­h. „Hauptsache die ständigen Wechsel fallen weg.“Landwirte seien von der bisherigen Umstellung kaum betroffen gewesen, sagt Ariane Amstutz, Pressespre­cherin des Landesbaue­rnverbande­s in Baden-Württember­g. Allerdings sei es für die Tiere „natürlich am einfachste­n, wenn die Zeit zum Melken immer wieder gleich ist“.

Das sagt die Energiewir­tschaft:

Eigentlich galt die Zeitumstel­lung einmal als Energiespa­rmaßnahme. Die Einführung wurde einst unter anderem damit begründet, dass dank mehr Sonnenstun­den der Stromverbr­auch gesenkt werden könne. Die

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FOTO: PETER STEFFEN Ein Ende der Zeitumstel­lung bedeutet weniger Stress für den Körper. Die EU-Kommission hat einen Gesetzesvo­rschlag angekündig­t.

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