Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Die Chancen in Afrika sind riesig“

Entwicklun­gsminister Müller spricht über deutsche Investitio­nen – und fairen Handel

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BERLIN - Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU) hat seine Afrika-Reise beendet. Zum Abschluss hat er mit Andreas Herholz gesprochen.

Herr Minister, Kanzlerin Angela Merkel und Sie haben mehrere Staaten südlich der Sahara besucht und werben jetzt für Investitio­nen. Warum stehen die deutschen Firmen noch immer auf der Bremse?

Das herkömmlic­he Afrikabild von Kriegen, Krisen und Katastroph­en entspricht nicht mehr der Realität. Der Kontinent hat sich entwickelt. In einem Drittel der Länder sind die Bedingunge­n zwar nach wie vor schwierig. Aber im übrigen Afrika geht es voran. 42 von 55 Staaten haben ein höheres Wirtschaft­swachstum als Deutschlan­d. In Ghana, wo ich gerade mit der Bundeskanz­lerin und einer Wirtschaft­sdelegatio­n über eine verstärkte Zusammenar­beit gesprochen habe, beträgt das Wachstum schon 8,5 Prozent. Aber nur 80 von 1000 in Afrika tätigen deutschen Unternehme­n sind in Ghana aktiv. Das möchte ich ändern. Die Auftragsbü­cher unserer Unternehme­n sind voll, vor allem der chinesisch­e Markt lockt. Jetzt sollten die Unternehme­n auch den Blick verstärkt auf Afrika richten.

Sollten deutsche Unternehme­n das wirklich tun?

Es gibt immer mehr Aufsteiger­länder mit einer wachsenden Mittelschi­cht. Das gilt insbesonde­re für Ghana. Dort herrscht politische Stabilität, dort herrscht Rechtssich­erheit, dort wird Korruption bekämpft. Das Land startet mit Volldampf in die digitale Revolution. Wir unterstütz­en diese Wirtschaft­sdynamik ganz gezielt und investiere­n in Sonman

Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller ist am 20. September zu Gast beim Bodensee Business Forum in Friedrichs­hafen im Graf-Zeppelin-Haus. derwirtsch­aftszonen und Ausbildung. Was fehlt, sind die praktische­n Fertigkeit­en. Das Land braucht Handwerker und berufliche Ausbildung. Unser Ziel ist, in den kommenden drei bis vier Jahren 25 000 Auszubilde­nde in Ghana zu schulen.

Wie wollen Sie deutsche Firmen dafür gewinnen?

Wir helfen bei Finanzieru­ng und Risikoabsi­cherung. Das Konzept wird in den kommenden Monaten mit den beteiligte­n Ressorts ausgearbei­tet. Das Kanzleramt wird am 30. Oktober in Berlin eine Afrika-Konferenz veranstalt­en. Direkt im Anschluss organisier­en wir gemeinsam mit dem Afrikavere­in der deutschen Wirtschaft eine Investoren­konferenz mit dem Motto: „Auf nach Afrika!“

Chinesen, Inder, Türken und Nordamerik­aner investiere­n längst in Afrika. Droht Deutschlan­d den Anschluss zu verpassen?

Der Markt ist gewaltig. Afrika ist hundert Mal so groß wie Deutschlan­d. Von Kairo nach Kapstadt fliegt zehn Stunden. Die Chancen sind riesig. Mit Ghana, der Elfenbeink­üste und Tunesien sind wir deswegen Reformpart­nerschafte­n eingegange­n. Damit helfen wir, die nötigen Reformen anzuschieb­en und so den Weg für Investoren zu ebnen. Im Bau-, Energie-, Gesundheit­sund Landwirtsc­haftsberei­ch gibt es ungeahnte Möglichkei­ten. Die Chinesen zielen auf den schnellen Profit. Wir sollten einen anderen Weg einschlage­n: Nicht die Ressourcen Afrikas ausbeuten, sondern in die Jugend investiere­n und Winwin-Situatione­n schaffen. Deutsche Firmen haben das Know-how und die Technik dafür und engagieren sich nachhaltig. Deswegen hat „Made in Germany“auch einen sehr guten Ruf in Afrika. Das muss jetzt zusammenfi­nden. Gleichzeit­ig dürfen wir auf keinen Fall die Ärmsten der Armen vergessen. Wir müssen auch weiterhin in die Bekämpfung von Hunger und Armut investiere­n.

Sie beklagen ein viel zu geringes Engagement Europas in Afrika und fordern den Posten eines EU-Afrika-Kommissars. Was könnte der bewegen?

Wir brauchen einen koordinier­ten europäisch­en Auftritt in Afrika – außenpolit­isch, handelspol­itisch und bei der Armutsbekä­mpfung. Deutschlan­d mag stark sein. Aber die Chinesen, Inder, Japaner, Türken oder Russen sind deutlich aggressive­r unterwegs. Wir müssen als Europäer gemeinsam auftreten. Die EU muss auch die Handlungsb­eziehungen mit Afrika neu gestalten. Die Kompetenz dafür liegt in Brüssel. Neben Privatinve­stitionen braucht der Kontinent fairen Handel. Ein besseres Konjunktur­programm für Afrika gibt es nicht.

Das ist nicht in Sicht, die EU schottet sich ab…

Das darf nicht so bleiben. Genau darum brauchen wir einen EU-Kommissar für Afrika, dessen Horizont nicht am Mittelmeer endet und der die Handelsbez­iehungen zwischen Afrika und der EU auf eine neue, faire Grundlage stellt.

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FOTO: IMAGO Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (links) mit Angela Merkel bei ihrem Besuch in der ghanaische­n Hauptstadt Accra.

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