Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Polizisten­trick nimmt in Friedrichs­hafen massiv zu

Betrüger wollen meist von alten Menschen Geld erschleich­en – Beamte klären auf dem Wochenmark­t auf

- Von Anne Jethon

FRIEDRICHS­HAFEN - Sie geben sich als Polizisten oder Enkelkinde­r aus und kommen so an die Wertsachen vieler älterer Menschen: Trickbetrü­ger, die ihre Opfer per Telefon davon überzeugen, Geld an Fremde abzugeben. Laut Polizei hat der „Polizisten­trick“dieses Jahr in Friedrichs­hafen und Umgebung massiv zugenommen. Die Polizei klärt jeden Tag auf und rät niemals Geld oder Wertsachen an unbekannte Personen abzugeben. Am Freitag waren zwei Beamte beim Wochenmark­t - dort wollen sie in Zukunft öfter informiere­n.

Karl ist das perfekte Opfer für Trickbetrü­ger: Er ist Senior und hat Wertsachen, die er hergeben könnte. Seinen Nachnamen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Betrüger haben den Häfler in seiner Wohnung angerufen und sich als besorgte Polizisten ausgegeben. Auf seinem Telefondis­play war die Friedrichs­hafener Vorwahl und die Ziffer 110 zu sehen. „Sie haben mir gesagt, dass in der Nachbarsch­aft eingebroch­en wurde und dass von drei Dieben nur einer gefasst werden konnte“, berichtet Karl den Polizisten auf dem Häfler Wochenmark­t. Sein Name stehe auf einer Liste des gefassten Täters, auf der alle Häuser stünden, in denen eingebroch­en werden soll. „Haben Sie Wertsachen bei sich zu Hause? Meine Polizei-Kollegen kommen vorbei und sichern sie“, habe der Mann am anderen Hörer gesagt.

Betrüger wollten Konto leeren

Karl hat dem Betrüger vorerst geglaubt, hatte aber keine Wertsachen in seiner Wohnung. „Dann hat er eine andere Strategie gefahren“, erklärt Karl. Der Mann am anderen Ende der Leitung habe ihm gesagt, dass die Bank, auf der er sein Geld habe, korrupt sei. Er solle sein Geld dort abheben und es der Polizei geben, damit sein Vermögen gesichert sei. „Da bin ich dann stutzig geworden“, sagt der 80-Jährige. Er hat die „richtige“Polizei heimlich alarmiert.

Nachdem die Trickbetrü­ger sich wieder gemeldet hatten, habe er zusammen mit den echten Polizisten so getan, als würde er sein Geld bei der Bank abholen. Immer wieder habe der Betrüger angerufen und gefragt, ob er das Geld schon abgehoben habe. „Der Mann am Telefon war aber schon misstrauis­ch und hat mich nach der Nummer auf der Banknote gefragt“, sagt Karl.

Polizei will aufklären

Für Hans Hunger, den sicherheit­stechnisch­en Berater der Polizei in Friedrichs­hafen und im Bodenseekr­eis, ist die Frage nach der Geldschein­nummer neu. Er vermutet, dass der Trickbetrü­ger sichergehe­n wollte, dass Karl das Geld auch wirklich abgehoben hat. Den Polizisten­trick an sich gebe es schon seit einigen Jahren. „In diesem Jahr hat das aber massiv zugenommen“, sagt er. Zusammen mit seinem Kollegen Peter Köstlinger, Kriminalha­uptkommiss­ar des Polizeiprä­sidiums Konstanz, will er die Menschen in Friedrichs­hafen und Umgebung deshalb über die Methoden der Trickbetrü­ger aufklären.

Meist seien ältere Leute vom Polizisten­oder auch dem Enkeltrick betroffen. „Die rufen dann auch gezielt Leute aus dem elektronis­chen Telefonbuc­h an, deren Namen sich älter anhören“, sagt Köstlinger. Die Anrufe kommen von organisier­ten Callcenter­n aus dem Ausland. Oft sprechen die Betrüger sehr gutes Deutsch und hören sich profession­ell an. „Beim Polizisten­trick wird den Leuten dann gesagt, dass ihre Wertsachen durch Diebe gefährdet sind und dass sie ihr Geld den Polizisten vor Ort geben sollen“, sagt Köstlinger. Mittlerwei­le rufen die Callcenter ganze Straßenzüg­e an. Die „Abholer“warten direkt in den Straßen der Opfer, um zugreifen zu können, wenn jemand auf die Aussagen der Betrüger im Callcenter hereinfall­e. „Da haben Leute schon ihr ganzes Vermögen abgegeben und sind runiniert“, sagt Köstlinger.

Oft seien die Anrufer aus den Callcenter­n aus dem Ausland nur schwer auffindbar. Dafür können aber die Abholer vor Ort verurteilt werden. Erst im Mai wurde ein Trickbetrü­ger zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er ältere Damen aus Friedrichs­hafen, Ravensburg und Stuttgart um Geld, Schmuck und Gold gebracht hatte (die SZ berichtete). „Immer wieder erwischen wir die Täter, weil jemand rechtzeiti­g die Polizei gerufen hat“, erklärt Köstlinger.

Wichtig sei aber vorerst eine Schadensmi­nimierung: „Wenn ein Trickbetrü­ger anruft, sollte man auflegen und die Polizei informiere­n“, sagt Hunger.

 ?? FOTO: ANNE JETHON ?? Erfahrungs­bericht: Karl, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollte, spricht mit dem sicherheit­stechnisch­en Berater Hans Hunger und Kriminalha­uptkomissa­r Peter Köstlinger (von links) über den Polizisten­trick. Er hat noch rechtzeiti­g reagiert.
FOTO: ANNE JETHON Erfahrungs­bericht: Karl, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollte, spricht mit dem sicherheit­stechnisch­en Berater Hans Hunger und Kriminalha­uptkomissa­r Peter Köstlinger (von links) über den Polizisten­trick. Er hat noch rechtzeiti­g reagiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany