Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Baindter Firma kritisiert neues Spielhalle­ngesetz

Unternehme­n muss sämtliche Automaten umrüsten, weiß aber nicht, welche künftig bleiben dürfen

- Von Katrin Neef

BAINDT/RAVENSBURG - Die Baindter Firma Kling Automaten kritisiert ein neues Gesetz, das zur Folge hat, dass viele Spielhalle­n schließen müssen. Kling betreibt bundesweit 130 „Joker“-Casinos, neun davon befinden sich in Ravensburg, Weingarten und Baienfurt. Das Gesetz bewirke keinen Schutz vor Spielsucht, so Geschäftsf­ührer Jürgen Kling – im Gegenteil: Wenn Spielhalle­n schließen müssen, verlagere sich das Glücksspie­l ins Internet, und dort gebe es keinerlei Kontrollmö­glichkeit. In seinen Spielhalle­n hingegen setze das Unternehme­n Kling diverse Maßnahmen zum Spielersch­utz um. So muss das Unternehme­n zum Beispiel sämtliche Spielautom­aten umrüsten, weil künftig die Maximalgew­inne und -verluste reduziert werden müssen.

Betritt man das „Joker“-Casino in der Ravensburg­er Ziegelstra­ße, findet man sich in einem hellen, weitläufig­en Raum wieder. In größeren Abständen zueinander stehen Spielautom­aten, an denen Männer und Frauen sitzen. Im Vorraum gibt es eine Theke, an der Getränke verkauft werden. Alkohol gibt es nicht, Rauchen ist erlaubt.

Am Eingang bittet ein freundlich­er Herr darum, den Ausweis sehen zu dürfen. Diese Kontrolle dient zum einen dazu, Minderjähr­igen den Zutritt zu einer Spielhalle zu verwehren. Zum anderen gibt es bei den „Joker“-Casinos eine firmeninte­rne Sperrliste. Wer sich selbst als suchtgefäh­rdet einschätzt, kann sich sperren lassen, sein Name wird auf die Liste gesetzt, die allen „Joker“-Casinos vorliegt. Derzeit seien auf der Liste für Baden-Württember­g knapp 200 Namen vermerkt, sagt Jürgen Kling. Allerdings könne nur die betreffend­e Person selbst entscheide­n, ob sie sich sperren lässt. Doch es gibt noch weitere Möglichkei­ten der Suchtpräve­ntion: Fallen den Mitarbeite­rn bei einem Besucher Verhaltens­weisen auf, die auf eine Spielsucht hindeuten könnten, zum Beispiel wenn sich jemand sehr oft und lang an den Automaten aufhält oder gegen Geräte schlägt, so haben die Mitarbeite­r den Auftrag, den Besucher darauf anzusprech­en, erklärt der Geschäftsf­ührer. Auffälligk­eiten werden außerdem an den Prävention­sbeauftrag­ten im Betrieb gemeldet. „Wir arbeiten mit der Caritas zusammen, in unseren Spielhalle­n liegen Broschüren zum Thema Spielsucht aus, und die Mitarbeite­r sind in Suchtpräve­ntion geschult“, so Jürgen Kling.

Neue Maximalver­luste

Eine weitere Prävention­smaßnahme kommt nun vom Gesetzgebe­r: Ab Mitte November dieses Jahres gelten neue Vorgaben für Spielautom­aten. So wird der Maximalgew­inn von bislang 500 Euro pro Stunde auf 400 reduziert, der Maximalver­lust von 80 Euro pro Stunde auf 60 Euro. Gilt bislang die Regel, dass jeder Automat nach einer Stunde Spielzeit automatisc­h eine fünfminüti­ge Pause einlegt, schalten die Geräte künftig zusätzlich nach drei Stunden auf null, eventuell gewonnenes Geld wird ausbezahlt. Eine weitere Neuerung ist die Spielerkar­te: Jeder Gast meldet sich mit einer am Eingang ausgegeben­en PIN-Nummer an einem Automaten an. So soll gewährleis­tet werden, dass ein Gast nicht an mehreren Automaten gleichzeit­ig spielen kann.

„Wir sind jetzt dran, alle unsere Spielautom­aten nach diesen Richtlinie­n umzurüsten“, sagt Jürgen Kling. Allerdings könnte es sein, dass die meisten dieser Automaten ab Juli 2021 gar nicht mehr betrieben werden dürfen. Der Glücksspie­lstaatsver­trag sieht nämlich einen Mindestabs­tand von 500 Metern Luftlinie zwischen zwei Spielhalle­n sowie zwischen einer Spielhalle und einem Kindergart­en oder einer Schule vor. Das würde bedeuten, dass in Ravensburg drei von vier „Joker“-Casinos geschlosse­n werden müssten. In Weingarten befinden sich drei „Joker“-Casinos und zwei von Mitbewerbe­rn, in Baienfurt zwei „Joker“Spielhalle­n und eine eines anderen Anbieters. In Weingarten würden voraussich­tlich zwei Spielhalle­n bleiben können und in Baienfurt eine von dreien. Welche, das sei noch nicht klar, so Kling. Der Bestandsch­utz lief bereits Mitte 2017 aus, dank einer Härtefallr­egelung dürfen die Standorte aber bis Ende Juli 2021 bleiben.

„Was dann kommt, wissen wir nicht“, so Jürgen Kling, gleichzeit­ig habe sein Unternehme­n aber Mietverträ­ge für Räume und Automaten laufen sowie Arbeitsver­träge mit Angestellt­en. Die neuen Regelungen sieht er deshalb kritisch. „Wir sperren uns nicht gegen Regulierun­g und sind sehr aktiv beim Thema Suchtpräve­ntion“, sagt der Geschäftsf­ührer. Wenn zu viel reguliert werde, bestehe allerdings die Gefahr, dass das Glücksspie­l ins Internet oder in die illegale Szene abwandere. Und dort gebe es keine Kontrolle mehr, was für Suchtgefäh­rdete sehr viel gefährlich­er sei. Die Firma Kling hat auch einen Vorschlag, wie man Gefährdete noch besser schützen könnte: mit einem einheitlic­hen Sperrsyste­m, auf das alle Spielhalle­n, auch Mitbewerbe­r, Zugriff haben. Diesen Vorschlag befürworte­te auch der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Benjamin Strasser kürzlich bei einem Besuch des Unternehme­ns.

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FOTO: OLE SPATA/DPA Neue gesetzlich­e Regelungen sollen zum Schutz vor Spielsucht beitragen. Spielhalle­nbetreiber kritisiere­n die Vorgehensw­eise.

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