Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Es muss ein einheitlic­hes Sperrsyste­m geben“

Suchtthera­peut Klaus Martin über Spielsucht und Behandlung­smöglichke­iten

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KREIS RAVENSBURG - Mit den neuen Regelungen des Glücksspie­lstaatsver­trags soll unter anderem Spielsucht bekämpft werden. Katrin Neef hat bei Klaus Martin, Suchtberat­er der Caritas in Ravensburg, nachgefrag­t, wie man eine Spielsucht erkennt und was man dagegen tun kann.

Herr Martin, Sie helfen Spielsücht­igen, von ihrer Sucht loszukomme­n. Wie viele Menschen sind denn von solch einer Sucht betroffen?

Es gibt in Baden-Württember­g 25 000 Spielsücht­ige. Deutschlan­dweit weisen rund 500 000 Menschen ein problemati­sches oder süchtiges Spielverha­lten auf. Bei der Caritas in Ravensburg zählten wir im vergangene­n Jahr 60 Personen, die mit diesem Problem Hilfe suchten.

Welche Art von Glücksspie­l spielt dabei eine Rolle?

In unseren Beratungsg­esprächen sind Online-Glücksspie­le ein Thema, Geldspiela­utomaten oder auch Poker. Spielcasin­os, wie zum Beispiel solche in Lindau oder Bregenz, sind eher rückläufig. Gleichzeit­ig gibt es immer mehr Automaten – allein in der Stadt Ravensburg stehen 205 Stück in Spielhalle­n und Gaststätte­n. Das Suchtpoten­zial bei Automaten entsteht dadurch, dass der Gast durch Geräusche und Geschwindi­gkeit sehr involviert ist. Da fällt es schwer, sich zu entziehen.

Ist Spielen an sich nicht ein menschlich­es Bedürfnis?

Ja, auf jeden Fall, aber Glücksspie­l hat mit dem klassische­n Spielen nichts zu tun. Bei einem Brettspiel wie zum Beispiel Monopoly geht es auch um Kompetenz. Die hat beim Glücksspie­l aber keinen Einfluss. Deshalb ist der Begriff Spielautom­at auch nicht ganz korrekt. Es sind eher Unterhaltu­ngsgeräte mit Gewinnmögl­ichkeit.

Ist Glücksspie­l aus Ihrer Sicht generell problemati­sch?

Nicht unbedingt. Es gibt ja auch Menschen, die Spaß daran haben. Es darf Spielstätt­en geben, aber wir müssen uns stärker um die Suchtpräve­ntion kümmern.

Wie zum Beispiel? Wäre ein einheitlic­hes Sperrsyste­m sinnvoll?

Ja, auf jeden Fall. Einheitlic­he Sperrungen müssen sein. Es ist im Moment zwar möglich, sich in einzelnen Spielstätt­en sperren zu lassen, aber das ist nicht ausreichen­d. Ein bundesweit­es System wäre sinnvoll. In den nordischen Ländern gibt es Spielerkar­ten, die alle Anbieter einsehen können und auf denen jeder Besucher ein Limit für seinen Einsatz pro Besuch oder pro Monat festlegt. Auch die Anzahl der Spieltage pro Monat sind vermerkt, und auch wenn sich jemand für Glücksspie­l sperren lassen möchte, ist das über die Karte einsehbar. Dieses System finde ich sehr sinnvoll.

Die neuen Regelungen beim Glücksspie­l sehen vor, dass zwischen Spielhalle­n mindestens 500 Meter Luftlinie liegen müssen. Ist das ein Fortschrit­t in Sachen Suchtpräve­ntion?

Eher nicht. Auch dann werden Betroffene, wenn sie durch die Stadt gehen, immer wieder mit dem Thema konfrontie­rt.

Wie erkenne ich denn, ob ich suchtgefäh­rdet bin?

Wenn man den Automaten braucht, um abzuschalt­en. Wenn man spielt, um negative Gefühle zu verdrängen. Wenn man immer länger und mit immer höheren finanziell­en Einsätzen spielt. Wenn man sich dafür schämt und es verheimlic­ht – dann ist man im gefährlich­en Bereich. Dann wird das Spielen zum Mittelpunk­t des Fühlens und Denkens, und anderes gerät in den Hintergrun­d. Oft zeigen Betroffene auch Begleitsym­ptome wie hohen Alkoholkon­sum, Nikotinsuc­ht oder Depression­en auf.

Ist es schwer, aus einer solchen Sucht wieder herauszuko­mmen?

Da kann ich Betroffene­n Mut machen: 50 bis 60 Prozent der Personen, die bei uns Hilfe suchen, kommen von der Spielsucht los. Das sind im Vergleich zu anderen Süchten sehr gute Zahlen. Ich möchte deshalb alle einladen, die sich bisher vielleicht nicht getraut haben. Unsere Beratung ist kostenlos, und wir unterliege­n der Schweigepf­licht.

Die offene Gruppe der Caritas zum Thema Spielsucht trifft sich jeden Mittwoch um 18 Uhr in der Georgstraß­e 27 in Ravensburg. Interessie­rte können jederzeit dazukommen. Telefonisc­h ist der Suchtthera­peut Klaus Martin unter 0751 / 35908912 erreichbar.

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FOTO: PRIVAT Klaus Martin von der Caritas berät Spielsücht­ige.

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