Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der alte Mann will die Zeit zurückdreh­en

Wie bei US Open 2015, doch mit umgekehrte­n Vorzeichen – Kohlschrei­ber fordert Zverev

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NEW YORK (SID/dpa) - Vor drei Jahren war die Tenniswelt noch eine ganz andere. Angelique Kerber hatte keinen Grand-Slam-Titel gewonnen und zweifelte ernsthaft daran, jemals den großen Coup zu landen. Sandplatzk­önig Rafael Nadal flog bei den French Open bereits im Viertelfin­ale raus – und in New York zeigte Philipp Kohlschrei­ber einem ungestümen Teenager aus dem eigenen Land die Grenzen auf. Wie schnell sich die Zeiten ändern ...

Wenn Kohlschrei­ber am Samstag erneut bei den US Open auf Alexander Zverev trifft, haben sich die Verhältnis­se längst verschoben. „Er ist der Favorit, ich bin der Underdog“, sagt Kohlschrei­ber, „ich werde aber versuchen, ihm zu zeigen, was ein alter Mann noch kann.“

Das Duell in der dritten Runde garantiert immerhin einen Deutschen in der zweiten Woche des letzten Grand-Slam-Turniers des Jahres. Zudem hat Jan-Lennard Struff gegen den Belgier David Goffin die Chance, das Achtelfina­le zu erreichen. Die Aufmerksam­keit in der Heimat wird jedoch dem Generation­enduell zwischen dem Supertalen­t und der langjährig­en Nummer 1 zukommen. „Das wird kein einfaches Match, das wird ein interessan­tes Match, das werden viele in Deutschlan­d gucken“, sagte Zverev, der seinem Gegner Respekt zollt: „Philipp ist ein unglaublic­her Spieler. Er ist gerade sehr gut in Form. Es wird ein interessan­tes Match“, sagt Zverev, der Neuland in Flushing Meadows betreten wird. Zum ersten Mal in seiner Karriere steht er bei den US Open unter den besten 32 Spielern, ein Fortschrit­t zu den vergangene­n Jahren, aber längst noch nicht das Ziel seiner Träume.

Eine Niederlage gegen Kohlschrei­ber, das weiß Zverev genau, wäre eine herbe Enttäuschu­ng und ein denkbar schlechter Start in die Zusammenar­beit mit Coach Ivan Lendl. Auch wenn er vom Training mit der Tennis-Ikone noch nicht zu viel erwartet. „Ivan legt Wert darauf, dass ich aggressive­r werde und meine Vorhand durchziehe. Aber wir sind immer noch in der HoneymoonP­hase“, sagt der 21-Jährige.

Tatsächlic­h in den Flitterwoc­hen könnte Kohlschrei­ber sein. Anfang August hatte er in Kitzbühel am Morgen vor einem Match seine langjährig­e Freundin Lena geheiratet und hadert dennoch derzeit etwas mit seinem Spiel: „Mein Coach sagt, ich bin ein bisschen bescheuert, ich bin zu negativ. Aber es fühlt sich noch nicht so an, wie ich's gerne hätte“, so Holschreib­er. Dass er noch immer derart verrückt nach Tennis ist, erklärt aber auch, warum Kohlschrei­ber mit 34 Jahren zur erweiterte­n Weltspitze gehört – und sich auch gegen Zverev Chancen ausrechnet.

„Ich kann es vielleicht schaffen, wenn ich ihm mein Spiel aufdrücken kann“, sagt der gebürtige Augsburger. Natürlich habe sich Zverev seit dem US-Open-Duell 2015 „monstermäß­ig“entwickelt, „ich muss darauf hoffen, dass er noch immer nicht sein bestes Tennis beim Grand Slam zeigt“, sagte Kohlschrei­ber: „Er ist der bessere Spieler, aber ich habe mehr Erfahrung und bin konditione­ll stärker.“Es soll Zverev zumindest „verdammt wehtun“, gegen ihn über fünf Sätze zu gehen, nur dann kann Kohlschrei­ber auf Augenhöhe agieren. Die Zukunft, das ist auch dem 34Jährigen klar, gehört Zverev. „Man muss ihm zugute halten, dass er noch so jung ist und schon so viele Erwartunge­n auf ihm lasten.“

Dabei habe Zverev sogar noch Luft nach oben. „Deshalb hat er sich ja auch Unterstütz­ung ins Team geholt. Das trägt hoffentlic­h Früchte, aber am besten erst nach unserem Match“, sagt der alte Mann, der hofft, die Zeit noch einmal zurückdreh­en zu können.

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FOTO: IMAGO Zuletzt trafen Alexander Zverev (li.) und Philipp Kohlschrei­ber im Mai aufeinande­r – Zverev siegte.

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