Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kaderplaner unter Druck
Gegen Ex-Club FC Bayern wird sich zeigen, ob Michael Reschkes Reform beim VfB wirkt
STUTTGART - Eigentlich müsste der Freitag, der 31., eine Art Glücksbringer von Michael Reschke gewesen sein, zumindest war es ein Tag, an dem sich der inzwischen fraglos bekannteste Kaderplaner der Bundesliga bestätigt gefühlt haben dürfte. Maximal 23 Akteure groß solle so eine Auswahl eines Vereins sein, sagte Stuttgarts Manager vor einem Jahr kurz nach seiner Ankunft beim VfB, und sein Ex-Club FC Bayern, den die Stuttgarter heute (18.30 Uhr/Sky) zum Südgipfel erwarten, hat sich offenbar daran erinnert.
Nachdem der Meister den Linksverteidiger-Ersatz Juan Bernat (25) für 15 Millionen Euro an Paris abgab, geht München mit einem 23 Spieler kleinen Aufgebot in die Saison. Auch, weil Trainer Niko Kovac wohl Theater befürchtet, wenn zu viele Stars auf der Bank sitzen. Allerdings: Seinen ExWeltmeister Jerome Boateng wollte er dann doch nicht loshaben. „Wir haben jetzt 19 Feldspieler, einer davon ist verletzt. Da können und wollen wir nicht noch Spieler abgeben“, sagte Kovac. Außerdem sei der 29-Jährige ein Weltklasse-Innenverteidiger. „Es geht darum, dass er körperlich gesund bleibt. Dann bin ich überzeugt, dass er nicht nur dem FC Bayern, sondern auch der Nationalelf helfen wird.“
Reschke dürfte sich derweil in Stuttgart mit seiner eigenen Truppe beschäftigt haben, natürlich ebenfalls 23 Spieler klein und mit den Münchnern der schmalste der Liga – dies, obschon der Manager im Sommer acht Zugänge präsentierte. Aus dem Neunten, einer erneuten Ausleihe des langverletzten Stuttgarter Aufstiegshelden Carlos Mané von Sporting Lissabon, wurde am Freitag nichts mehr. Immerhin blieb Benjamin Pavard erhalten, dank Boatengs Bleiben sah Bayern keinen Bedarf, sofort um Stuttgarts 22-jährigen Weltmeister zu buhlen. Also wird der Franzose wohl erst in einem Jahr für die vertraglich fixierte 35-Millionen-Euro-Ausstiegsklausel nach München abwandern. Es sei denn, der VfB beschlösse, fußballerisch endlich mal ernst zu machen und an die letzte Rückrunde anzuknüpfen, in der Tayfun Korkuts Männer so diszipliniert verteidigten und effizient Tore schossen, dass sie fast noch Rückrundenmeister geworden wären vor den Ganzjahresmeistern aus München. Als Krönung versaubeutelten die Schwaben den Bayern mit einem 4:1-Kantersieg in der Allianz-Arena immerhin noch deren Meisterfeier am 34. Spieltag.
Die VfB-Fans genossen das Cannstatter Schützenfest im Feindesland Bayern, daran gewöhnen sollten sie sich an solche Ergebnisse eher nicht. Dass der VfB am Saisonende Rang vier erreicht und Pavard damit halten könnte, ist zumindest derzeit ein eher surreales Szenario. Im Gegenteil: Nach dem Zwei-Niederlagen-Saisonstart, den es kurioserweise noch nie gab beim VfB, dürften die Stuttgarter eher wieder demütig denken. Bloß nicht verlieren heute und in zwei Wochen im nächsten Derby beim SC Freiburg, das wäre schon super.
Der Rheinländer Reschke, der sein Handwerk einst beim jovialen Reiner Calmund in Leverkusen erlernte – beide waren sie einst Jugendleiter bei Bayer –, glaubt dennoch an sein Transferwerk, das er für VfB-Verhältnisse rekordverdächtig früh vier Wochen vor Saisonbeginn vollendet hatte. Natürlich habe man sich den Start „ganz anders vorgestellt“, sagt er, weist aber daraufhin, „dass neben den Bayern Clubs wie Schalke, Dortmund, Leverkusen, Leipzig, Hoffenheim und Gladbach, die letzte Saison teilweise geschwächelt haben, einfach stärker besetzt sind. Wir wollen uns in der Bundesliga stabilisieren“.
Hoffen auf Didavi
Tatsächlich muss sich der VfB vor allem offensiv verbessern. Nur drei Chancen zählte der „kicker“in Mainz, wo Laufpensum, Kampfkraft und Torgefahr des zu Wolfsburg abgewanderten Daniel Ginczek durchaus vermisst wurden – ebenso der von Wolfsburg zurückgewanderte Spielmacher Daniel Didavi. Der 28-jährige Nürtinger dürfte durchaus eine Option sein für die heutige Startelf, die Korkut wohl ähnlich defensiv, aber auch kontertauglich formen wird wie in Mai, als die Bayern von kompakten und rekordverdächtig schnell ausschwirrenden Stuttgartern überrascht wurden – etwa dem plötzlich explodierenden Griechen Anastassios Donis. Tempospieler à la Weltmeister Frankreich also, auf die bereits Ex-Manager Jan Schindelmeiser setzte und auf die auch Reschke schwört, wie er bei den Verpflichtungen von Rechtsverteidiger Pablo Maffeo von Manchester City oder von Jungstürmer Nicolas Gonzalez bewies.
Noch bleibt der VfB jedenfalls gelassen. „Wir haben nicht das Gefühl, dass wir unter Druck stehen. Wir haben nicht die Ergebnisse erzielt, die wir uns vorstellen. Aber wir wissen, woran es lag. Was letzte Woche war, ist nicht mehr so wichtig“, sagt Korkut. Auch Reschke, dessen größter Coup bis dato der Trainerwechsel war – wobei auch Korkut sich erst noch im Krisenfall beweisen muss –, klingt optimistisch: „Für uns war immer klar, dass wir einen Schritt gemacht haben. Wir sind vernünftig aufgestellt für die Saison. Vor uns liegt zwar ein harter Weg, aber wir sind davon überzeugt, dass es ein guter ist.“