Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lernwerkst­att weckt Interesse in Schweden

Aulendorfe­r Vorzeigepr­ojekt soll auch in Göteborg umgesetzt werden

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AULENDORF (kik) - In der Aulendorfe­r Lernwerkst­att werden seit einem halben Jahr geflüchtet­e Menschen fit gemacht für die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt. Das Vorzeigepr­ojekt hat nun auch die schwedisch­e Stadt Göteborg überzeugt, die ebenfalls an einer Lernwerkst­att nach Aulendorfe­r Modell interessie­rt ist, gab Thomas Kreuz von der ESF-Beratungss­telle des Landkreist­ages BadenWürtt­emberg bei einem Vor-OrtTermin am Dienstag in Aulendorf bekannt.

In dem landkreisw­eit in dieser Form bislang einzigarti­gen Projekt werden die Teilnehmer im Auftrag des Jobcenters Ravensburg in Räumen der Firma Huchler sprachlich gefördert und in handwerkli­chen Fähigkeite­n für den Arbeitsmar­kt qualifizie­rt (die SZ berichtete mehrfach). Finanziert wird die Lernwerkst­att, ein Kooperatio­nsprojekt der Stadt Aulendorf und des Liebenau Berufsbild­ungwerks in Ravensburg, aus Mitteln des Europäisch­en Sozialfond­s (ESF), der Stadt Aulendorf und des Zweckerfül­lungsfonds Flüchtling­shilfe der Diözese Rottenburg­Stuttgart.

Wie die Fördermitt­el vor Ort eingesetzt werden und wie die Teilnehmer der Lernwerkst­att das Angebot nutzen, davon konnten sich Besucher aus Aulendorf sowie aus Ravensburg und Stuttgart am Dienstag selbst überzeugen. Cornelia Rathgeb von der ESF-Verwaltung­sbehörde des Ministeriu­ms für Soziales und Integratio­n berichtete von insgesamt 260 Millionen Euro an Fördergeld­ern für einen Zeitraum von sieben Jahren, die für „wirksame und sinnvolle Projekte wie dieses“zur Verfügung stünden. 92 Millionen Euro davon, also rund 13 Millionen Euro pro Jahr, seien direkt an 42 Städte und Landkreise verteilt worden – darunter Aulendorf. „Geld aus Europa fließt direkt ins Land“, sagte sie.

„Als innovative­s Projekt mit Vorbildcha­rakter“bezeichnet­e Diana Raedler, Sozialdeze­rnentin des Landkreise­s Ravensburg, die Aulendorfe­r Lernwerkst­att. Das bestätigte­n Thomas Kreuz vom Landkreist­ag und Cornelia Rathgeb vom Sozialmini­sterium, da sich Kommunen in Baden-Württember­g bei der Finanzieru­ng an derlei Projekten selten selbst beteiligen würden. „Von rund 200 regionalen Projekten pro Jahr, die aus unterschie­dlichen Töpfen finanziert werden, sticht die Stadt Aulendorf heraus, die finanziell­e Beteiligun­g der Kommune ist bei diesem Projekt etwas Besonderes“, sagte Rathgeb. Angesichts des finanziell­en Spielraums der Stadt Aulendorf ein großes Lob. Die Vorteile für Aulendorf auf der anderen Seite liegen klar auf der Hand – 80 Prozent der Teilnehmer wohnen in Aulendorf und werden mithilfe der Lernwerkst­att fit gemacht für den Beruf. Die restlichen Teilnehmer kommen aus der näheren Umgebung wie aktuell aus Bad Waldsee und Ebersbach-Musbach. Monika Kordula vom Liebenau Berufsbild­ungswerk (BBW) machte jedoch deutlich, dass das Angebot allen Flüchtling­en im Landkreis offenstehe, die Zuteilung erfolgt vom Jobcenter des Landkreise­s.

22 Flüchtling­e haben seit dem Start der Lernwerkst­att am 12. Februar bereits teilgenomm­en oder sind noch mittendrin, berichtete Kordula weiter. Vier von ihnen konnten bislang in einen Praktikums­platz und drei in einen festen Arbeitspla­tz im Bereich Logistik vermittelt werden. Zwei haben die Teilnahme abgebroche­n, einige besuchen noch Folgemaßna­hmen des Jobcenters wie beispielsw­eise Integratio­nskurse. Der Fokus liege auf einem Ausbildung­splatz oder einer festen Arbeitsste­lle.

Herausford­ernd seien in der täglichen Arbeit vor allem die unterschie­dlichen Sprachkenn­tnisse der geflüchtet­en Menschen, erläuterte Werkstattl­eiter Achim Bernhard. Daher steht morgens erst einmal Deutschunt­erricht auf dem Programm, bevor es nach der Mittagspau­se mit den handwerkli­chen Fähigkeite­n in den Berufsbere­ichen Farbe, Holz und Metall weitergeht. Für Lerninhalt­e, die in Aulendorf nicht vermittelt werden können (wie beispielsw­eise ein Staplerfüh­rerschein), können die BBW-Werkstätte­n und Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten am Standort in Ravensburg genutzt werden. Unterstütz­ung kommt zusätzlich von der Caritas BodenseeOb­erschwaben und vom Helferkrei­s Asyl Aulendorf, der die Idee für die Lernwerkst­att hatte.

Für Khaled Hussam aus dem Libanon ist die Lernwerkst­att ein Glücksfall: Am Montag beginnt er ein Praktikum bei einer Aulendorfe­r Schreinere­i, erzählte er glücklich. Außerdem lerne er hier endlich richtig die Sprache und auch lesen. Seit zwei Monaten nimmt der Syrer Mustafa Obied aus Bad Waldsee an der Lernwerkst­att teil. „Die Arbeit hier macht Spaß und ich lerne die Sprache“, sagte der 60-jährige gelernte Lagerarbei­ter sichtlich stolz.

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FOTO: KARIN KIESEL Khaled Hussam aus dem Libanon nimmt an der Aulendorfe­r Lernwerkst­att teil.

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