Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ich telefonier­e sonst nie am Steuer“

Polizeiakt­ion zur Verkehrssi­cherheit fischt auch in Ravensburg Handysünde­r ab

- Von Barbara Sohler KARIKATUR: RAINER WEISHAUPT

RAVENSBURG - Handysünde­r im Visier hatte am Donnerstag die Polizei. Denn: „Jeder Augenblick zählt“– wie eine kleine Infobrosch­üre der Polizei erklärt. Und jeder Blick aufs Handy, jedes noch so kurze Gespräch kann katastroph­ale Folgen haben, wenn der Verkehrste­ilnehmer sich doch eigentlich auf die Straße konzentrie­ren sollte. Ein kurzer Stopp an einem Kontrollpo­sten bringt Aufschluss darüber, wie ernst die Ravensburg­er das Handyverbo­t am Steuer nehmen.

Die Herbstsonn­e steht gegen zehn Uhr morgens noch recht tief, wirft dunkle Schatten auf den Gehweg entlang der Brühlstraß­e. Direkt in der Kurve, bei der Abzweigung zum Sportcente­r, steht unübersehb­ar ein Polizist, beobachtet die gen Süden vorbeizieh­ende Fahrzeugka­rawane. „Die Petze“, wie die Kollegen flapsig sagen. Weil die Schatten bis auf die Straße reichen, kann der Beamte so manches Mal nicht sehen, ob der Fahrer den Gurt vorschrift­smäßig angelegt hat oder nicht.

Was aber deutlich zu sehen ist: Wenn jemand ein Telefon ans Ohr hält. Und darauf haben es die insgesamt fünf Beamten am Einsatzort Brühlstraß­e abgesehen: Auf Handysünde­r. „Schwarzer Cayenne, Handy am rechten Ohr“, schnarrt es dann aus dem Handsprech­funkgerät, das der Kollege – keine hundert Schritte entfernt in der Parkplatze­infahrt zum TSB-Stadion – auf der Schulter trägt. Und schon tritt der Polizist auf die Fahrbahn und winkt den Porschefah­rer aus der Kolonne. „Halt – Polizei“steht auf der roten Kelle.

Polizeihau­ptkommissa­r Armin Rau, Leiter der Führungsgr­uppe und stellvertr­etender Revierleit­er in Ravensburg, hat die erschrecke­nden Zahlen parat: Im vergangene­n Jahr sind im Zuständigk­eitsbereic­hs des Polizeiprä­sidiums Konstanz bei tödlichen Unfällen 58 Menschen ums Leben gekommen, nach Recherchen vermutlich zehn durch die Benutzung eines Handys am Steuer – so weist es die Statistik aus. Das liegt in etwa im landesweit­en Schnitt, der bei 17 Prozent liegt. Unfallursa­che „Ablenkung“heißt es dann und passiert somit durchschni­ttlich einmal pro Woche.

Um diese Gefahren den Autofahrer­n deutlich zu machen, Präventiva­rbeit zu leisten und wenn nötig, Verstöße mit einem empfindlic­hen Bußgeld von 100 Euro plus 26 Euro Verwaltung­sgebühren und einem Punkt in Flensburg zu ahnden, sind am Donnerstag 2300 baden-württember­gische Polizisten auf die Straße gegangen, haben an 660 Orten kontrollie­rt. Im Einzugsgeb­iet des Präsidiums Konstanz haben 180 Beamte an 60 stationäre­n Kontrollst­ellen Fahrzeugle­nker überprüft, in Ravensburg hat es Kontrollen an vier Standorten gegeben: an der Ortsdurchf­ahrt von Oberhofen, in der Jahnstraße, im Knollengra­ben. Und in der Brühlstraß­e.

Dort steht der junge Porschefah­rer mittlerwei­le zerknirsch­t neben seinem Wagen, die Fahrzeugpa­piere und seinen Führersche­in hat ein Polizist zur Überprüfun­g in den Polizei-Van mitgenomme­n. Seinen Namen will er nicht preisgeben, aber er sei Handwerker, der zwischen Büro und Lager pendeln und häufig im Auto Telefonate annehmen muss. Dass sein großes Fahrzeug eine Freisprech­einrichtun­g hat, das weiß er natürlich. Nur benutze er sie eben häufig nur auf Langstreck­en. „Was soll ich sagen … Ja, Sie haben recht“, antwortet er auf die Belehrung der Beamten und gibt sich ernstlich geläutert. Er sei Feuerwehrm­ann und Vater, wisse also wohl um die Gefahren.

So einsichtig seien beileibe nicht alle Verkehrssü­nder, wie ein Polizeihau­ptkommissa­r mit 37 Dienstjahr­en auf dem Uniformbuc­kel aus dem Nähkästche­n plaudert. „Haben Sie nichts Besseres zu tun?“fauchte es ihm und seinen Kollegen schon so manches Mal aus der Fahrersche­ibe heraus entgegen. Vor allem nachts und womöglich noch unter Einfluss von Alkohol oder Drogen seien Verkehrste­ilnehmer bei Kontrollen weit weniger entspannt als am helllichte­n Tag.

Wie aber verhält sich der ertappte Fahrer denn richtig, wenn die Polizei kontrollie­rt? „Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es bekanntlic­h heraus“, gibt ein Beamter zu bedenken. Sprich: Freundlich­keit zahlt sich aus. So einfach ist das.

Ein Getränkela­ster mit unangeschn­alltem Fahrer geht den Beamten am Vormittag noch ins Netz. „So oft wie ich aussteige und wieder einsteige, da schnall ich mich auf kurzen Strecken halt mal auch nicht an“, sagt der Mann lachend, wie ein weiterer telefonier­ender Handwerker und auch eine Frau, die nur eben beim Wertstoffh­of um die Ecke was abgeladen hat. „Ich schnalle mich sonst immer an“, verteidigt sie sich unwirsch. 30 Euro sind trotzdem fällig.

Und auch eine junge Radfahreri­n wird auf dem Gehsteig nahe der Kletterhal­le angehalten. Sie hat ihren Hütehund mit der Leine am Lenker fixiert und scheint ein eingespiel­tes Hund-Fahrrad-Team zu sein. Gleichwohl sei auch das eine potenziell­e Gefahrenqu­elle und nicht erlaubt, klärt ein Polizist die Frau auf. Immerhin könne der Hund erschrecke­n und die Fahrerin quer über die Straße ziehen. Für die Hundehalte­rin bleibt es bei einer mündlichen Verwarnung.

In Ravensburg wurden am Donnerstag im Rahmen der bundesweit­en Maßnahme „sicher.mobil. leben.“bei neun Kontrollak­tionen etwa 120 Fahrzeuge angehalten. 26-mal musste die Polizei dabei Handyverst­öße ahnden, 17-mal Gurtverstö­ße. Laut Paragraf 23 der Straßenver­kehrsordnu­ng darf man übrigens auch als Radfahrer nicht mit dem Handy telefonier­en.

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