Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Spannende Pläne für die Ortsmitte
Amtsinhaber Holger Lehr will Bürgermeister in Grünkraut bleiben und hat viele Ideen
GRÜNKRAUT - „In solch einer Gemeinde ist man gerne Bürgermeister“, schreibt Holger Lehr in seinem Flyer, den er dieser Tage in Grünkraut verteilt hat. Seit acht Jahren ist der 42-jährige Diplom-Verwaltungswirt Rathauschef, und er möchte es auch weitere acht Jahre bleiben. Für die Wahl am 30. September ist er der einzige Kandidat. „Manche sagen, in so einem Fall müsse man keinen Wahlkampf machen“, sagt er, „aber ich möchte trotzdem auf die Leute zugehen und das Gespräch suchen.“
Zu Fuß hat er sich deshalb auf den Weg gemacht, um an Türen zu klingeln und zu hören, was die Bürger bewegt, was sie sich von ihrem Bürgermeister wünschen. Zu tun gibt es einiges, auch wenn Holger Lehr betont, dass es um Grünkraut gut bestellt ist, sowohl, was die „soliden“Finanzen angeht, als auch das gute Miteinander.
Eines der großen Themen ist derzeit die Frage, wie Älterwerden in Grünkraut möglichst problemfrei gelingen kann. Eine Umfrage hat ergeben, dass die meisten Bürger auch im Alter im Ort bleiben wollen. Damit dies möglich ist, sind mehr altersgerechte Wohnungen notwendig. Im Rahmen des Projekts „Grünkraut gemeinsam gestalten“haben sich Bürgergruppen unter anderem mit diesem Thema beschäftigt. Eine Idee ist nun, in zentraler Lage ein Zentrum für Pflege und betreutes Wohnen zu errichten. Darüber wird der Gemeinderat am Dienstag beraten.
Wohnraum für Ältere
„Ich freue mich, dass wir dieses Thema angehen“, sagt Holger Lehr. „Wir brauchen so eine Einrichtung, und die Rückmeldungen der Bürger zeigen, dass so etwas in die Ortsmitte gehört.“Dort gibt es zwar keine freien Flächen, aber eventuell doch eine Möglichkeit: „Feuerwehr und Bauhof haben ihre Gebäude im Zentrum, und sie haben beide Raumnot“, so der Bürgermeister. „Man könnte diese Einrichtungen verlegen und an ihrer Stelle einen altersgerechten Neubau planen.“Dies sei ein „richtig spannendes Thema“, freut sich Lehr – aber auch eines, das die Gemeinde wohl viele Jahre beschäftigen werde.
Grünkraut sei außerdem gerade dabei, Barrieren im Ort abzubauen – hier hatte es zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung gegeben. So gibt es inzwischen einen Aufzug im Rathaus, das Pflaster vor dem Gebäude und die Bushaltestelle in der Ortsmitte sollen im kommenden Jahr entsprechend umgestaltet werden.
Auch das Thema Verkehr beschäftige die Menschen sehr stark, sagt Holger Lehr. Der Lärmaktionsplan der Gemeinde sehe eigentlich eine Lärmschutzwand für die direkten Anwohner der B 32 vor, der Bund habe es aber bisher abgelehnt, diese Maßnahme umzusetzen. Er selbst wolle die Planungen für den Molldietetunnel in Ravensburg im Blick behalten, fügt er hinzu. Der Tunnel soll von Weißenau bis zum Knollengraben führen, also bis kurz vor die Tore Grünkrauts. „Da wollen wir einbezogen werden, wir werden uns zu Wort melden und unsere Interessen einbringen“, kündigt Lehr an. Er ist auch parteiloses Mitglied des Kreistags in der Fraktion der Freien Wähler.
Radweg nach Bodnegg
Zum Thema Verkehr gehören auch die Zweiradfahrer. Derer gebe es in Zeiten von E-Mobilität immer mehr, deshalb halte er an den Plänen für einen Radweg nach Bodnegg fest, um Außenbezirke anzubinden und den Schulweg zum Bodnegger Bildungszentrum sicherer zu machen, sagt Holger Lehr. „Die Grundstückseigentümer sind bereit, Land zu verkaufen, damit der Radweg gebaut werden kann“, sagt der Bürgermeister. „Diese Chance müsste man nutzen, aber leider hat sich hier noch nichts getan.“Weil der Radweg entlang der Landesstraße führen soll, sei das badenwürttembergische Verkehrsministerium zuständig. Von dort sei nun das Angebot gekommen, dass die Gemeinde den Radweg in Eigenregie plant. „Das ist zwar eigentlich nicht okay“, findet der Bürgermeister, dennoch werde man dieses Projekt in Angriff nehmen, bevor weitere Jahre tatenlos vergehen. Vom Land sei ein Zuschuss zu erwarten, außerdem soll ein Teil der Gewerbesteuer für die Finanzierung verwendet werden.
Apropos Gewerbesteuer: In diesem Bereich profitiert Grünkraut von seinem vergleichsweise großen Gewerbegebiet Gullen, in dem mehr als 1000 Menschen arbeiten und wo unter anderem das weltweit tätige Unternehmen Blum Novotest seinen Sitz hat. „Wir haben einen weiteren Bebauungsplan für Gullen beschlossen, wollen aber auch Flächen auf Vorrat halten, wenn örtliche Betriebe Bedarf haben“, sagt Holger Lehr.
Erweitert werden soll im Übrigen auch die Einzelhandelsfläche: Der Edeka-Markt wolle vergrößern, was er befürworte, so Holger Lehr, um im gleichen Atemzug auf die kleinen Geschäfte im Ortskern hinzuweisen, die einen großen Beitrag zur Lebensqualität leisteten. Auch darauf, dass die 3200-Einwohner-Gemeinde einen Arzt, einen Zahnarzt sowie eine Apotheke vorweisen kann, ist der Bürgermeister stolz.
Die gute Infrastruktur und die Nähe zu Ravensburg machen Grünkraut als Wohnort attraktiv. Wie in vielen Gemeinden im Landkreis gibt es derzeit mehr Bedarf als Angebote. Ein neuer Bauabschnitt im Bereich Weiherhalde soll Abhilfe schaffen, dort soll günstiger Wohnraum entstehen, erklärt Holger Lehr.
Ein weiteres Thema, das in seinem Flyer auftaucht, ist die Kinderbetreuung. „Jedes Jahr werden alle Eltern zum Bedarf an Betreuungsplätzen befragt“, sagt er. Das Betreuungsspektrum in beiden Kindergärten und in der Schule sei ausgeweitet worden und starte nun bereits um 7 Uhr. Auch Mittagessen wird angeboten. Durch die Verlegung der Mensa ins Foyer der Sporthalle gewinne man außerdem doppelt so viel Raum für Kinderbetreuung, so der Bürgermeister, der sich hier im Übrigen auch andere Angebote wie zum Beispiel einen offenen Mittagstisch vorstellen kann.
Nicht zuletzt ist es Holger Lehr wichtig, dass in den vergangenen Jahren die Spielplätze saniert wurden. Dort trifft man den Bürgermeister auch manchmal privat an – zusammen mit seiner Frau Silvia hat er drei Kinder. Langweilig es es ihm daher wohl kaum. Umso mehr freut er sich, dass er Familie und Beruf so gut vereinbaren kann, obwohl er als Bürgermeister auch abends und an Wochenenden gefragt ist. „Meine Frau unterstützt mich, und wenn am Wochenende Feste stattfinden, gehen wir oft mit der ganzen Familie hin, das passt gut.“Außerdem gebe es in der Bevölkerung großes Verständnis dafür, dass auch ein Bürgermeister manchmal einfach nur Privatmensch sein möchte.
Die Bürgermeisterwahl in Grünkraut findet am Sonntag, 30. September, statt.