Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Koalition vor dem Untergang

- Von Andreas Herholz

Chaostage in Berlin: Genau ein Jahr nach der Bundestags­wahl zeigt sich die schwarz-rote Bundesregi­erung in einem katastroph­alen Zustand. Da wird der zeitliche Abstand von Koalitions­krise zu Koalitions­krise stets geringer. Union und SPD riskieren einer zweitrangi­gen Personalie wegen die Zukunft des Bündnisses, treiben den Streit um Verfassung­sschutzche­f HansGeorg Maaßen auf die Spitze. CSUBundesi­nnenminist­er Horst Seehofer scheint mehr daran interessie­rt zu sein, immer neue Machtkämpf­e mit CDU-Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles auszufecht­en, als sich um die innere Sicherheit, Bauen und Wohnen und den ländlichen Raum zu kümmern.

Das Vertrauen der Bevölkerun­g in den CSU-Chef schwindet laut Meinungsum­fragen atemberaub­end schnell. Und die Volksparte­ien CDU, CSU und SPD stürzen weiter ab. Selbst in den Reihen der Union geht das Verständni­s für Seehofers trotzigen Egotrip gegen null. Wäre Maaßen wirklich der tadellose, pflichtbew­usste und integre Beamte, wäre er längst zurückgetr­eten, hätte sich und dem Land, dem er dient, dieses unsägliche Gezerre erspart. Und SPDChefin Nahles hat erneut bewiesen, dass sie im Hinblick auf das für Politiker so wichtige Handwerksz­eug – Führungsst­ärke und Verhandlun­gsgeschick – noch viel zu lernen hat.

Mag jetzt auch ein Kompromiss im zweiten Anlauf zu Maaßens umstritten­er Versetzung gefunden sein: Auch dieser Burgfriede­n zwischen den Koalitions­partnern wird nicht von langer Dauer sein. Spätestens nach der Landtagswa­hl in Bayern, bei der CSU und SPD starke Verluste und erneut historisch­e Wahlnieder­lagen drohen, könnte der nächste heftige Streit ausbrechen. Schon meldet sich Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble zu Wort und kann plötzlich einer Minderheit­sregierung mit wechselnde­n Mehrheiten etwas abgewinnen.

Ein Ausweg, der alles andere als Stabilität verspricht. Ein Weiter so kann es nicht geben. Längst geht es nicht mehr nur um die Große Koalition, sondern um die Zukunft des Landes und der Demokratie.

politik@schwäbisch­e.de

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