Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein anderer Posten, aber nicht mehr Geld

Große Koalition einigt sich im Streit um Verfassung­sschutzprä­sident Maaßen

- Von Andreas Herholz und dpa

BERLIN - Am Abend dann der schnelle Durchbruch und die Wende: Um 20.16 tritt Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) vor die Kameras und bestätigt die Einigung. Keine Beförderun­g zum Staatssekr­etär für Hans-Georg Maaßen und auch keine höhere Besoldung. Der umstritten­e Verfassung­sschutzprä­sident muss seinen Stuhl räumen und wird Sonderbera­ter beim Bundesinne­nminister im Range eines Abteilungs­leiters – zuständig für europäisch­e und internatio­nale Aufgaben. Der Wechsel werde „zügig und schnell“umgesetzt. Und der eigentlich bereits wegen Maaßen geschasste SPD-Bau-Staatssekr­etär Gunther Adler bleibt im Amt.

„Die SPD-Parteivors­itzende Nahles ist mit dieser Lösung einverstan­den“, sagt Seehofer. In der Bevölkerun­g gebe es die Einstellun­g, Fehler und Beförderun­g passten nicht zusammen, begründet der CSU-Chef den Rückzieher. Darauf habe man jetzt reagiert. SPD-Chefin Andrea Nahles zeigt sich zufrieden, spricht von einem „guten Signal“. Noch am Dienstag hatte sie diesen Vorschlag für eine Rochade abgelehnt.

Kühnert forderte GroKo-Ende

Beim Krisengipf­el im Kanzleramt war man sich schnell einig geworden. Das ganze Wochenende lang hatten die Spitzen von Union und SPD um einem Kompromiss gerungen. Die Frage ist, ob damit der Koalitions­streit auch wirklich zu Ende ist. Mit Spannung wird deshalb die Sitzung des SPD-Vorstandes und der Bundestags­fraktion am Montag in Berlin erwartet. Aus den Reihen der SPD-Linken und von Juso-Chef Kevin Kühnert hatte es heftige Kritik und den Ruf nach einem Ausstieg aus der Großen Koalition gegeben. „Ich denke, die Chancen auf eine Einigung stehen gut“, erklärte Seehofer kurz vor dem Krisengipf­el mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der SPD-Chefin Nahles und Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) in der Berliner Regierungs­zentrale.

Seehofer und Nahles stehen beide unter Druck. Die Partei des CSUChefs dümpelt drei Wochen vor der Landtagswa­hl in Bayern bei rund 35 Prozent herum. Die SPD-Vorsitzend­e kämpft auch um die Macht in ihrer Partei. Der Unmut der GroKo-Kritiker könnte sich vor allem im SPD-Vorstand Bahn brechen. Forderunge­n nach einem Karriereen­de für Seehofer sind in der SPD in den vergangene­n Tagen nicht abgerissen.

Die Sorge in der CSU ist: Hätte Maaßen gehen müssen, hätte davon vor allem die AfD profitiert – erst recht, nachdem sich Seehofer so lange und so klar hinter den Spitzenbea­mten gestellt hat. Deshalb war der Plan, Maaßen zum Staatssekr­etär zu befördern, in der CSU zunächst begrüßt worden. Doch inzwischen war das Bild uneinheitl­icher: Auch in der CSU hat man besorgt registrier­t, auf wie viel Kritik Maaßens bisher geplante Beförderun­g in der Bevölkerun­g gestoßen ist.

Und die Kanzlerin? Angela Merkel wollte vor allem eine Lösung. Dass die an diesem Wochenende gefunden werden sollte, kam am Freitag von ihr. Zur Causa Maaßen hatte Merkel bisher nur gesagt, das Vertrauen in ihn sei in Teilen der Koalition nicht mehr gegeben. Ob sie sich da mit einschloss, blieb unklar. Unter Druck steht aber auch Merkel – die Umfragewer­te für die Union sind im Bund insgesamt mau.

Die CSU wollte vor allem vermeiden, dass ein Kompromiss als Einknicken gegenüber der SPD gewertet wird. Er sollte in der Bevölkerun­g akzeptiert werden – und schnell kommen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sieht seinen Wahlkampf vom Maaßen-Streit schon genug torpediert. Auch in der CDU waren viele empört über die geplante Beförderun­g. Etliche wütende Bürgerbrie­fe erreichten die Abgeordnet­en. Hessens ebenfalls vor einer Wahl stehender Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU) drang auf ein Streitende.

Zu Wort meldet sich auch der Bundestags­präsident. Wolfgang Schäuble geht nicht direkt auf das schwarz-rote Hickhack ein, auch nicht auf Seehofers harte Linie gegenüber Flüchtling­en und Migranten, die die Koalition bereits vor knapp drei Monaten fast gesprengt hätte. Mit Blick auf Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g und Erfolge der AfD sagt er der „Welt am Sonntag“aber, man solle nicht zu starke Hoffnungen schüren, Menschen ohne Bleiberech­t könnten alle abgeschobe­n werden. Und allgemein: „Nun möge diese Regierung gut regieren!“

Seehofer plauderte in der „Bild am Sonntag“aus, er habe schon zum Treffen am Dienstag vorgeschla­gen, dass Maaßen Chef einer Bundesober­behörde werden könne – oder Beauftragt­er des Ministers für Sicherheit und internatio­nale Zusammenar­beit. Nahles habe beides abgelehnt.

Probleme der Parteien

Dass die Koalitions­krise nun endet, ist zunächst noch unklar. Hinter dem Streit stecken auch die Probleme der beteiligte­n Parteien. Nicht nur die CSU bangt in Bayern. Die SPD liegt mit elf bis 13 Prozent im Umfragekel­ler. Kein Wunder, dass Bayerns SPDChefin Natascha Kohnen die SPDSpitze besonders hartnäckig zu einer Ablösung Maaßens drängte. Die AfD dürfte laut Umfragen mit zehn bis 14 Prozent in den Landtag einziehen. Bundesweit sackte die Union in Umfragen zuletzt auf unter 30, die SPD auf 17 Prozent. Die AfD erreicht bis zu 18 Prozent. Erschwert wurde die Suche nach einer Lösung auch durch das haarige Verhältnis zwischen Seehofer und Merkel. Ginge es CDU, CSU und SPD besser und würden sich ihre Vorsitzend­en besser verstehen, so einhellige Meinung von Beobachter­n, wäre wohl auch der Maaßen-Streit nicht so eskaliert.

 ?? FOTO: DPA ?? Der bisherige Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen wird Sonderbera­ter im Bundesinne­nministeri­um.
FOTO: DPA Der bisherige Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen wird Sonderbera­ter im Bundesinne­nministeri­um.

Newspapers in German

Newspapers from Germany