Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Kein Kampf, sondern fairer Wettbewerb“
Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) zur Koalition und zu seiner Kandidatur gegen Volker Kauder
BERLIN - Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) sieht die Koalition mit der SPD noch nicht am Ende. „Jetzt sollten wir uns im guten Miteinander darauf konzentrieren, den Koalitionsvertrag vernünftig abzuarbeiten“, sagte er im Gespräch mit Andreas Herholz. Brinkhaus will an diesem Dienstag Volker Kauder an der Spitze der Unionsfraktion ablösen.
Herr Brinkhaus, das Unverständnis über die Entscheidung, Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ins Innenministerium zu versetzen und zum Staatssekretär zu befördern, war allenthalben groß. Wie erklären Sie Ihren Wählern solche Vorgänge?
Ganz unabhängig davon, wie man zu Herrn Maaßen steht, ist der Ablauf in den letzten Tagen nur noch schwer zu vermitteln. Da hat Berlin kein gutes Bild abgegeben. Wir müssen daher schnell zur Sachpolitik zurückkehren und die Probleme lösen, die die Menschen tatsächlich bewegen. Das sind zum Beispiel die Themen Wohnen, Pflege, Sicherheit und Digitalisierung.
Aber die Regierung wackelte erneut. Der Abstand zwischen den Krisen wird immer geringer. Wäre da ein Ende mit Schrecken nicht besser als ein Schrecken ohne Ende?
Wir haben einen ehrgeizigen Koalitionsvertrag. Der enthält viele gute Maßnahmen, die das Land voranbringen werden. Jetzt sollten wir uns im guten Miteinander darauf konzentrieren, den Koalitionsvertrag vernünftig abzuarbeiten. Damit haben wir bis 2021 gut zu tun.
Ein Jahr nach der Bundestagswahl ist die Bilanz der Großen Koalition ziemlich ernüchternd. Jede Menge Stillstand und Streit …
Das sehe ich nicht ganz so. Natürlich ist durch die Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen Zeit verstrichen. Jenseits der einen oder anderen Krise hat die Koalition dennoch vernünftig gearbeitet. Wir haben den Haushalt 2018 konstruktiv gestaltet und verabschiedet und auf europäischer Ebene einige Entscheidungen getroffen. Die notwendigen Grundgesetzänderungen für den Digitalpakt Schule und ein stärkeres Engagement des Bundes in den Bildungsbereich werden auf den Weg gebracht. Im Asylrecht und beim Familiennachzug haben wir einiges geregelt. Wir haben mit dem Wohngipfel wichtige Weichen gestellt. Das ist für knapp ein halbes Jahr eine Menge.
Nach den Ereignissen von Chemnitz ist von einer gespaltenen Gesellschaft die Rede, von einem Riss, der durch die Gesellschaft geht. Wie lässt sich das wieder kitten?
Das ist unsere größte Herausforderung für die nächsten drei Jahre. Wir müssen alles für den Zusammenhalt unseres Landes tun. Wenn wir den Zusammenhalt verlieren, brauchen wir uns über Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz, Digitalisierung oder Klimawandel nicht mehr zu unterhalten.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer will eine soziale Dienstpflicht für junge Menschen einführen und schließt auch die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht nicht aus. Was halten Sie von dem Vorschlag?
Das ist ein sehr interessanter Vorschlag, der rechtlich schwierig umzusetzen ist. Wir sollten aber darüber beraten und nach Möglichkeiten suchen, wie sich junge Menschen in der Breite für unsere Gesellschaft einbringen könnten.
Die CSU fordert stärkere Entlastungen und will den Solidaritätszuschlag sofort streichen. Was spricht dagegen?
Wenn wir uns in der Koalition darauf verständigen könnten, wäre zum Beispiel eine schnellere Abschaffung des Solidaritätszuschlages ein wichtiger Schritt. Aber der Koalitionsvertrag sieht dies so nicht vor. Wir werden darüber aber mit den Sozialdemokraten noch einmal sprechen.
Muss sich die Union angesichts der Schwäche der SPD nach neuen Koalitionspartnern für die Zukunft umsehen?
An einer Schwäche der SPD habe ich überhaupt keine Freude. Es ist wichtig für das Land, dass die SPD wieder einen bestimmten Teil der Gesellschaft im Parlament repräsentiert. Wir haben einen Koalitionsvertrag mit der SPD und wollen bis zum Ende der Wahlperiode 2021 zusammenarbeiten. Aus meiner Sicht wäre eine schwarz-gelbe Koalition das bessere Regierungsbündnis. Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Aber auch eine Jamaika-Koalition wäre 2017 eine echte Chance gewesen.
Sie fordern Amtsinhaber Volker Kauder heraus und wollen neuer Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden. Warum sind Sie der bessere Mann für die Aufgabe?
Es geht nicht darum, jemanden herauszufordern. Es geht um ein alternatives Angebot. Es gibt neue Ansätze und Möglichkeiten, wie man die Arbeit der Fraktion gestalten kann. Wir haben viele gute Ideen und können uns daher offensiver ausrichten und selbstbewusster sein. Dazu habe ich der Fraktion ein Angebot gemacht. Also kein Kampf, sondern fairer Wettbewerb.
Ihre Kandidatur kommt der Kanzlerin höchst ungelegen …
Wenn ich gewählt werde, werde ich mit Angela Merkel gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Das haben wir bisher so gemacht und werden es auch in Zukunft tun. Mein Ziel ist ein gutes, respektvolles Miteinander. So sind im Übrigen auch die letzten Wochen seit meiner Kandidatur abgelaufen: fair und respektvoll. So ein Wettstreit und eine Wahl sind doch auch eine Werbung für die Demokratie.