Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dieselpoke­r im Kanzleramt

Fahrplan für Nachrüstun­g bis zuletzt unklar – Umtauschpr­ämie laut Automobile­xperte wenig wirksam

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BERLIN (dpa) - Wie geht es weiter mit alten Dieselfahr­zeugen? Angesichts weiterer drohender Fahrverbot­e in Städten haben Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Chefs deutscher Autokonzer­ne am Sonntagabe­nd über Maßnahmen beraten. Mit dabei war auch Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU). Bis zuletzt war unklar, ob es bei dem Treffen doch noch zu einer Einigung bei den Hardware-Nachrüstun­gen kommen könnte.

Union und SPD streiten seit Wochen über Maßnahmen gegen schmutzige Luft sowie den Umgang mit älteren Dieselfahr­zeugen. Nach einem Bericht des „Spiegel“hat sich Merkel festgelegt, ältere Fahrzeuge mit Stickoxid-Katalysato­ren nachrüsten zu lassen. Sie habe Scheuer zur Vorlage einer gesetzlich­en Lösung aufgeforde­rt, damit umgerüstet­e Wagen der Euro-5-Klasse in mögliche Verbotszon­en fahren dürfen.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert hatte das von Merkel genannte Ziel bekräftigt, eine gemeinsame Position der Regierung bis Ende September zu erreichen. In den Koalitions­streit ist nach dem jüngstem Gerichtsur­teil zu Fahrverbot­en in Frankfurt am Main Bewegung gekommen. Merkel, die lange gegen Umbauten an Motoren argumentie­rt hatte, öffnete sich inzwischen dafür.

Scheuer hat mittlerwei­le ein neues Konzept angekündig­t. Der CSUPolitik­er hat rechtliche, technische und finanziell­e Bedenken gegen Hardware-Nachrüstun­gen, will aber „in alle Richtungen nachdenken“. Sein Haus sieht wenig Möglichkei­ten, älteren Dieselauto­s mit einem nachträgli­ch eingebaute­n Abgasfilte­r Fahrten durch Städte mit hohen Stickoxid -Werten zu ermögliche­n. Scheuer drängt die Hersteller zu attraktive­ren Anreizen, damit mehr Besitzer ihre älteren Diesel gegen ein saubereres Auto umtauschen.

Industrie-Präsident Dieter Kempf rechnet nicht damit, dass es generell Hardware-Nachrüstun­gen geben wird. Dies gehe aus technische­n Gründen bei vielen Modellen gar nicht, sagte er. Wichtig sei daher, die softwarete­chnische Nachrüstun­g als Erstes zu befördern. Nach Darstellun­g von Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r sind Euro-6-Diesel fast das größere Problem als Euro-5-Diesel. Gut 80 Prozent davon gäben im normalen Fahrbetrie­b deutlich mehr Stickoxide ab als erlaubt.

Nicht nur Euro-5 ist ein Problem

„Euro-5-Hardware-Nachrüstun­g ist notwendig und wichtig, löst aber nur einen Teil des Problems.“Zwar seien einzelne Euro-6-Diesel-Modelle verbessert worden. Aber erst seit etwa einem Jahr seien neuere Autos zum Teil mit besseren Werten im normalen Fahrbetrie­b unterwegs. Die Kanzlerin dürfe bei den Gesprächen mit der Autoindust­rie nicht nur die Euro-5 Hardware-Nachrüstun­g problemati­sieren, sagte Dudenhöffe­r.

Eine Prämie für den Umtausch alter Dieselauto­s in Neuwagen hätte nach Ansicht von Experten kaum positive Auswirkung­en auf die Schadstoff­belastung in deutschen Großstädte­n.

Es sei zu befürchten, dass durch eine Prämie kurzzeitig noch viele Fahrzeuge der weniger strengen Euro-6c-Norm in den Markt gebracht würden, bevor am 1. September kommenden Jahres die strengere Euro-6d-Norm in Kraft tritt.

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FOTO: IMAGO Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) waren noch vor dem Dieselgipf­el mit den Konzernbos­sen am Sonntagabe­nd nicht einig, wie es weitergehe­n soll.

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