Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bomben und Panzerfäus­te

Viel Arbeit für Kampfmitte­lräumer: Das derzeitige Niedrigwas­ser offenbart brisante Altlasten

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NÜRNBERG (dpa) - Mal sind es Granaten, mal Panzerfäus­te, immer wieder auch Bombenblin­dgänger: Das extreme Niedrigwas­ser hat in den vergangene­n Wochen brisante Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg in Bayerns Bächen, Flüssen, Weihern und Seen zutage gefördert – und keineswegs nur dort. Was sonst metertief unter der Wasserober­fläche verborgen sei, legten im Freistaat jetzt vielerorts die häufig zu Rinnsalen und Pfützen geschrumpf­ten Bäche und Weiher frei, berichtete Andreas Heil, der bayerische Betriebsle­iter des Kampfmitte­lräumdiens­tes Tauber in Nürnberg.

„Wir merken seit zwei Monaten einen deutlichen Anstieg von Einsätzen, bei denen es darum geht, Kampfmitte­l zu beseitigen, die durch das Trockenfal­len von Gewässern sichtbar werden“, berichtete Heil. Zahlen will er nicht nennen. Die 350 Kampfmitte­lräumer des Unternehme­ns in Deutschlan­d, 25 davon in Bayern, seien jedenfalls stark eingespann­t. „Einige Mitarbeite­r haben ihren Urlaub vorzeitig abgebroche­n, andere auf ihren Sommerurla­ub verzichtet“, berichtete Heil. Neben Bayern seien Rhein und Mosel ein Schwerpunk­t.

Nach seiner Einschätzu­ng sind in diesem Sommer so gut wie alle Gewässer in Bayern betroffen. Einsatzort­e nennt der Diplom-Mineraloge ungern: „Da kommen dann Jugendlich­e und auch andere Neugierige und es entwickelt sich ein Munitionst­ourismus“, sagte Heil. Das wolle man aber unbedingt verhindern. „Die wollen sich dann die Funde anschauen – manchmal auch mit den Händen. Dann wird es gefährlich.“Schlechte Erfahrunge­n, was den „Kampfmitte­ltourismus“angehe, habe man etwa an der Traun und einigen Alpseen gemacht, wo es sogar Verletzte gab.

Heil warnte eindringli­ch davor, auf Sandbänken, im Flussschla­mm oder in flachen Bächen und Weihern liegende mutmaßlich­e Munitionsa­ltlasten zu berühren: „Es ist ein absoluter Irrglaube, dass Munition, die 70 bis 80 Jahre im Wasser gelegen hat, keine Gefahr mehr darstellt. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn lange im Wasser liegende Munition trocknet, werden chemische Veränderun­gen ausgelöst, die die Munition bisweilen gefährlich­er machen können als zum Einsatzzei­tpunkt während des Zweiten Weltkriegs.“Mögliche Munition sollte umgehend der Polizei gemeldet werden.

Zu den häufigen Funden in Bayern gehören Panzerfäus­te. „Das liegt daran, dass kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs vielerorts die Hitler-Jugend für den Volkssturm mobilisier­t und gegen die vorrückend­en Panzer der US-Streitkräf­te mit Panzerfäus­ten ausgerüste­t wurde“, erklärte Heil. „Zum Glück gab es da einige beherzte Großmütter, die eingeschri­tten sind und den Jugendlich­en gesagt haben: 'Zieht Eure Uniform aus und verschwind­et nach Hause.’“Die Munition hätten die Frauen dann rechtzeiti­g vor dem Einmarsch der US-Truppen in nahen Flüssen und Teichen versenkt.

In der Regel seien es Spaziergän­ger, die auf die Munition aufmerksam machen würden, sagte Heil. „Gezielt suchen wir danach nicht, außer es gibt Hinweise, dass einst an einer bestimmten Stelle in einem Gewässer Munition verklappt wurde.“Bevorzugt seien hierbei Brückenber­eiche. „Die Leute suchten damals meist eine möglichst tiefe Stelle im Fluss, wenn sie Munition loswerden wollten. Das sollte aber möglichst unauffälli­g passieren. Da bot es sich eben an, Waffen und Munition heimlich von Brücken aus in Flüsse zu werfen.“

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FOTOS: DPA Vor dem Sennfelder Badesee ist ein Schild aufgehängt, das auf die Schließung des Sees hinweist.
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Kampfmitte­lräumer durchsuche­n ein Gebiet des Sennfelder Badesees.

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