Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wie Notdienste ihre Kunden prellen

Türöffnung kostet zwischen 80 und 120 Euro – Unseriöse Schlüsseld­ienste berechnen teilweise den fünfachen Preis

- Caroline Benzel

SCHONDORF - Die Toilette ist verstopft, der Strom ausgefalle­n, das Wasser tropft aus den Wänden oder die Haustür ist zugefallen. Schnelle Hilfe von Handwerker­n ist gefragt. Das Problem: Im Bereich der Notdienste tummeln sich auch schwarze Schafe. Das zeigt das jüngste Urteil gegen die Gründer der Deutschen Schlüsseld­ienstzentr­ale. Die Anklage hatte rund 1000 betroffene Kunden aufgeführt, die für eine Türöffnung teilweise das Fünffache des angemessen­en Preises bezahlt hatten. Beide Geschäftsf­ührer wurden vom Landgerich­t Kleve zu mehrjährig­en Gefängniss­trafen wegen gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ugs, Steuerhint­erziehung und Vorenthalt­ens von Arbeitsent­gelt verurteilt.

Zentralen täuschen Ortsnähe vor:

Das Vorgehen von Notdienstz­entralen ist oft ähnlich. Die Verbrauche­r glauben, bei einem lokalen Schlüsseld­ienst, einer Heizungsfi­rma oder einem örtlichen Elektriker anzurufen. Tatsächlic­h landen sie in einem Callcenter, das die Aufträge weitergibt. Die Firmen, die beauftragt werden, müssen teils mehr als die Hälfte ihres Verdienste­s an die Vermittlun­gszentrale abgeben. Kein Wunder, dass sie diese Mehrkosten an die Kunden weitergebe­n. Wie groß das Problem ist, zeigen Zahlen der Bundesnetz­agentur. Allein im vergangene­n Jahr hat die Bundesnetz­agentur die Abschaltun­g von 52 000 lokalen Rufnummern angeordnet, mit denen Unternehme­r Ortsnähe vorgetäusc­ht hatten.

Notdienst-Einsatz vermeiden:

Am besten ist, nicht in eine Notlage zu kommen. Es empfiehlt sich, bei Nachbarn, Verwandten oder Freunden einen Schlüssel zu hinterlege­n. Alternativ gibt es die Möglichkei­t, eine Firma mit der Schlüssela­ufbewahrun­g zu beauftrage­n. Gerade nachts, am Wochenende oder an Feiertagen ist es oft günstiger, in einem Hotel zu übernachte­n, als einen Notdienst zu beauftrage­n. Denn die Firmen dürfen außerhalb der normalen Arbeitszei­ten Aufschläge von bis zu 150 Prozent auf die Lohnkosten nehmen. Das kann teuer werden. Auch bei Sanitär-, Heizungsod­er Elektropro­blemen ist es ratsam, auf einen Notdienste­insatz zu verzichten und lieber unter der Woche eine Firma zu suchen.

Hilfe bei Handwerker-Ärger:

Eine einfache, zerstörung­sfreie Türöffnung sollte zu normalen Arbeitszei­ten zwischen 80 und 120 Euro kosten. „Wenn eine Rechnung überhöht erscheint, sollten Verbrauche­r nicht sofort bezahlen“, sagt Julia Rehberg, von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. „Alternativ können Kunden erst einmal nur den Teil bezahlen, der angemessen erscheint“, so die Juristin. „Falls der Handwerker die Kunden deshalb bedroht, sollte man die Polizei rufen.“Das Problem bei unseriösen Firmen: Teils nutzen sie falsche Adressen, sodass es für Kunden unmöglich ist, ihr Geld erstattet oder Schäden ersetzt zu bekommen. Anders sieht es bei Ärger mit seriösen Firmen aus: Sowohl die Handwerksk­ammern als auch Innungen bieten Schlichtun­gsverfahre­n an. Verbrauche­rzentralen informiere­n Verbrauche­r über mögliche rechtliche Schritte.

Betriebe sorgfältig auswählen:

Die beste Möglichkei­t, Ärger mit Handwerker­n zu vermeiden, ist eine sorgfältig­e Auswahl des Betriebes. Empfehlung­en von Nachbarn oder Bekannten können hier sehr hilfreich sein. Für Seriosität spricht in jedem Fall, wenn es sich um einen Innungsbet­rieb handelt. Ebenfalls wichtig ist, dass auf der Webseite ein komplettes Impressum mit Namen und Rechtsform der Firma, Anschrift, Telefonnum­mern, Steuernumm­er und der zuständige­n Handwerksk­ammer aufgeführt ist. Eine Firma, die keine genaue Adresse und lediglich Handyoder 0800-Nummern angibt, kann nicht seriös sein.

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FOTO: STEFANIE REBHAN Manche Schlüsseld­ienste arbeiten unseriös.

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