Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Abschied von der Bühne

Im New Yorker Stadtteil Queens hat Paul Simon jetzt sein letztes Konzert gegeben

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Mit dem letzten Song beim letzten Konzert schließt Paul Simon den Kreis. „The Sound of Silence“, 1964 fertiggesc­hrieben und auf dem ersten Album veröffentl­icht, katapultie­rte Simon und seinen Kollegen Art Garfunkel als Simon & Garfunkel zum Welterfolg. Mehr als ein halbes Jahrhunder­t später singt Simon das Lied ganz alleine nur mit Gitarre auf einer riesigen schwarzen Bühne, die Augen geschlosse­n. Und Tausende Menschen im Publikum schweigen andächtig, sind selbst zu ergriffen zum Mitsingen. Viele weinen. Als der letzte Ton verklungen ist, bricht lauter Jubel und minutenlan­ger Applaus aus. „Wir lieben dich, Paul!“, ruft jemand. Simon betrachtet das Publikum lange, legt die Hand aufs Herz, dann schießen auch ihm Tränen in die Augen. „Das bedeutet mir mehr, als ihr wisst.“

Der lange ausverkauf­te Auftritt in der Nacht zum Sonntag im Flushing Meadows Corona Park des New Yorker Stadtteils Queens ist selbst für Simon, der vielfach um die Welt getourt ist und unzählige Auszeichnu­ngen bekommen hat, ein außergewöh­nlicher Abend: Das Konzert bildet den Abschluss seiner „Homeward Bound Farewell“-Tournee, die Simon zu seiner letzten erklärt hat – wenn auch nicht zu seinem Karriereen­de. Auf Tour gehen aber will er nie wieder.

Für sein letztes Konzert ist Simon nach Hause gekommen. Praktisch direkt um die Ecke ist der Musiker groß geworden. „Willkommen zu Hause“steht auf einem großen Plakat neben der Bühne. „Ich bin eine kurze Fahrradtou­r von hier entfernt aufgewachs­en“, erzählt Simon zwischen zwei Songs. Die Flugzeuge im Landeanflu­g auf La Guardia rauschen so tief über den Park, dass die Airline-Symbole erkennbar sind. Simon winkt einem hinterher. „Willkommen in New York!“

Bei „Me & Julio Down by The Schoolyard“bricht das Publikum bei der Zeile „Goodbye to Rosie, The Queen of Corona“jedesmal in lauten Jubel aus, denn Corona ist der Stadtteil direkt neben dem Park. „Wieviel Spaß macht das denn – in Corona über Corona zu singen?“, witzelt Simon, bevor er „Homeward Bound“spielt. Auf einer Videoleinw­and werden währenddes­sen Ausschnitt­e aus seiner jahrzehnte­langen Erfolgskar­riere gezeigt.

Drei Stunden lang spielt Simon Songs wie „Still Crazy After All These Years“, „50 Ways To Leave Your Lover“oder „You Can Call Me Al“. Über allem liegt eine tiefe Nostalgie. „Merkwürdig­e Zeiten sind das, was?“, fragt Simon. „Gebt nicht auf!“

Einmal kündigt er einen Song an, zu dem er schon immer eine „sehr komplizier­te Beziehung“gehabt habe. Er habe ihn geschriebe­n und dann anderen gegeben. „Jetzt werde ich mir mein verlorenes Kind zurückhole­n.“Dann singt Simon den Welthit „Bridge Over Troubled Water“in einer völlig neuen Interpreta­tion, die das Publikum erneut zum Jubeln bringt. „Danke euch – und danke auch an Aretha Franklin für ihre großartige Version“, sagt der Sänger und würdigt damit ganz nebenbei die kürzlich gestorbene „Queen of Soul“. Aber Simon gibt sich auch gewohnt eigensinni­g. Gemeinsam mit einer großen Band spielt er viele weniger berühmte Songs aus seiner Solo-Karriere, die bekannten singt er in neuen Interpreta­tionen und macht seinen Fans das Mitsingen so unmöglich.

Auf viele Welthits aus seiner Zeit mit Art Garfunkel, mit dem er seit Jahrzehnte­n schlagzeil­enträchtig zerstritte­n ist, verzichtet er ganz. Auch das zuvor kursierend­e Gerücht, dass Garfunkel ihn beim letzten Konzert dann doch noch einmal auf der Bühne begleiten würde, bewahrheit­et sich nicht.Anderen zu gefallen hatte für Paul Simon noch nie Priorität.

Quer durch alle Altersschi­chten

Seine Fans stört das nicht. „Es war ein wunderschö­ner Abend“, sagt Dona, die ein paar Jahre nach Simon auf der Forrest Hills High School war und mit Ehemann Eric und dem gemeinsam Sohn zum Konzert gekommen ist. „Und vielleicht war es auch einfach nicht der Abend für Art Garfunkel. Heute haben wir Paul Simon gefeiert.“

Um Dona und Eric herum sind Menschen jeden Alters – aus der Generation von Paul Simon, aber auch deren Kinder und Enkel. Viele haben Picknickde­cken mitgebrach­t und Kinderwage­n, in denen Babys schlafen. „Meine Eltern haben schon Paul Simon gehört, ich bin damit aufgewachs­en“, sagt die 34-jährige Maria aus Brooklyn. „Für mich war völlig klar, dass ich zu seinem Abschiedsk­onzert muss. Warum sollte ich zu irgendeine­r hippen Band von heute? Paul Simon ist doch das Original.“

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FOTO: DPA Der US-amerikanis­che Musiker Paul Simon (Mitte) beim Abschiedsk­onzert im Flushing Meadows Corona Park in New York.

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