Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kultur leben
Das Verschwinden des Josef Mengele“heißt ein Buch von Olivier Guez. In Friedrichshafen ist der französische Journalist und Autor heute Abend mit dieser romanhaften Rekonstruktion der argentinischen Jahre des bestialischen Lagerarztes von Auschwitz zu Gast: 1949 flüchtete Mengele, gebürtig aus Günzburg, nach Buenos Aires. Dort trifft er auf etliche Unterstützer und kann sich ein zweites Leben einrichten. Der deutsche Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der israelische Geheimdienst und Nazi-Jäger Simon Wiesenthal nehmen schließlich die Verfolgung auf. Mengele rettet sich von einem Versteck ins nächste, erst 30 Jahre nach der Flucht wird seine Leiche an einem brasilianischen Strand gefunden. Der Tatsachenroman von Guez liest sich wie ein Politthriller, behält aber die nötige Distanz zum ernsten Thema bei. Beginn 20 Uhr im Kiesel k 42.
Ein Reisender völlig friedfertiger Natur ist „Nagelritz“alias Dirk Langer aus Bremen. In den Programmen des lebensverliebten Comedians und Akkordeon-Chansonniers entsteht eine maritime Kunstwelt voller frivoler Doppeldeutigkeit und flunkerndem Augenzwinkern. Shantys in „La Paloma“Manier sind es nicht, die diesen neuzeitlichen Seemannsgarnspinner interessieren. Viel lieber gibt er sich einem Fernweh voller ungewöhnlicher Globallogik hin und bietet so äußerst verschmitzt neue Blickwinkel.
Seine Liedtexte leiht er sich auch mal bei Joachim Ringelnatz. Ob die brodelnde See am Äquator, Menschenfresser mit Tischmanieren oder wie Geschlechtskrankheiten der erste Schritt zu einer globaleren Welt wurden – all das haben Seeleute entdeckt. Nagelritz widmet sich mit Inbrunst seiner Matrosenaufgabe, die Fremde zu Wie die Musik zu einem rettenden Ufer für verwundete Seelen werden kann, muss den Liebhabern heilender Töne nicht lange erklärt werden. Gutes Beispiel dafür ist der Bluesmann „Watermelon Slim“alias Bill Homans aus Boston. 1970 kehrte er verletzt aus dem Vietnamkrieg zurück, 1973 veröffentlichte er seine Anti-Kriegsaufnahmen „Merry Airbrakes“. Es folgten 30 Jahre als Trucker oder Wassermelonenfarmer dieses engagierten Mitglieds der „Vietnam Veterans Against the War“. Erst 2003 wurde Slim im Alter von 55 Jahren Profimusiker. Ob er seine Slide-Gitarre spielt, seine Blues Harp bläst oder mit eindrucksvoller Stimme intelligente Texte singt, ruft, heult oder klagt: Dieser Mann lebt den Blues!
Watermelon Slim spielt im Adler Meidelstetten/Schwäbische Alb am Samstag, 29. September.
Der Ausflug dorthin wäre bestens kombinierbar mit einem Spaziergang auf der magischen Alb. Jetzt, im frühen Herbst, entfaltet sie ihre Geheimnisse mit am schönsten!
borrasch@gmx.de