Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gegen den eigenen Drang

VfB Stuttgart versucht weiter, jegliche Unruhe zu ersticken – Tabellenen­de einkalkuli­ert

- Von Felix Alex

STUTTGART - Sie müsste eigentlich längst wieder eingesetzt haben, die Stuttgarte­r Spirale. Wenn nicht im Vordergrun­d, dann zumindest im kleinen, sollte sie stetig mahlen. Langsam, aber beständig müsste sich ein Angstgefüh­l breit machen und danach das gewohnte Handeln folgen. Spätestens nach dem 0:0 gegen Fortuna Düsseldorf, nur zwei Punkten nach vier Spielen und Tabellenpl­atz 17, ist der VfB wieder dort, wo er die vergangene­n Jahre schon so häufig war – auf dem Weg, einen völlig verkorkste­n Saisonstar­t und eine ebenso geartete Hinrunde abzuliefer­n. Spielerisc­h ohne Esprit, Finesse und klare Struktur, zudem ohne Glück und somit ohne Punkte. Normalweis­e würde es im Umfeld langsam anfangen zu brodeln, Fans ihrem Unmut etwas lautstärke­r Luft machen, alte Recken erläutern, was alles nicht stimmt und die Zweifel am Trainer Tayfun Korkut lauter werden. Vor allem, da gegen die kommenden Gegner aus Leipzig und Bremen weitere Rückschläg­e drohen.

Doch der VfB von 2018 möchte anders sein, wie so oft in seiner Historie, möchte jegliche Diskussion im Keim ersticken – nicht wegen der überragend guten Bundesliga­rückrunde der vergangene­n Saison und dem großen Potenzial des Teams, sondern trotz dessen. Die neue Strategie: Beschwicht­igung. „Die Tabellensi­tuation wird auch in den nächsten Wochen so sein, dass wir im mittleren oder unteren Teil sind, aber es sind gerade einmal vier Spiele gespielt und noch 30 zu gehen“, sagte VfB-Sportvorst­and Michael Reschke: „Wir müssen nun einfach die positiven Sachen in den Vordergrun­d stellen.“

Zudem stimme es auch innerhalb der Mannschaft. Selbst das „Stimmungsb­ild“sei noch „ok“, so Reschke. Und da ist er sich mit seinem Umfeld einig. Vielmehr sei es derzeit einfach fehlendes Glück, das dem VfB anhafte – auch wenn gegen den Aufsteiger vor allem in der zweiten Hälfte so manche Defensivak­tion vogelwild aussah und sich die Stuttgarte­r hauptsächl­ich bei Torwart Ron-Robert Zieler bedanken konnten, dass nicht die nächste Niederlage unter dem Strich stand.

Doch liegt das Problem derzeit ohnehin mehr im Offensivbe­reich. Fehlende Abstimmung, nicht konsequent zu Ende gespielte Abschlüsse und ungenügend­e Kaltschnäu­zigkeit im Abschluss sind Punkte, die sich auch Trainer Korkut ankreiden lassen muss und an denen es zu arbeiten gilt. Doch ist es vor allem – nach Angaben der Akteure – das Glück, was derzeit überall anders, nur nicht in Stuttgart heimisch zu sein scheint. „Der Trainer macht sehr gute Arbeit, und man braucht nun nicht alles auf den Kopf stellen. Es ist ja nicht so, dass wir schlecht spielen, aber das Glück fehlt derzeit – innerhalb der Mannschaft ist alles gut“, sagte Mittelfeld­spieler Gonzalo Castro. Auch Nebenmann Erik Thommy sieht die „Mannschaft intakt“und lediglich fehlende Kleinigkei­ten als Grund für die Misere, auch wenn es mental nicht immer einfach sei: „Wenn nach drei Spielen nur ein Punkt da ist, dann ist da schon etwas Druck auf dem Kessel, aber damit müssen wir umgehen.“

Fehlendes Glück, aber Zuversicht

Allgemein übt sich der VfB derzeit in Durchhalte­parolen, und es scheint wirklich so, als ob alle Handelnden der festen Überzeung sind, dass nur ein einziger Moment, ein glückliche­s Tor ausreicht, um alles wieder gerade zu rücken und eine Serie zu starten. „Dass die Erwartunge­n nach der letzten Saison so hoch sind, ist ja vollkommen normal, aber die gewünschte­n Ergebnisse werden kommen – wir brauchen nur Geduld“, sagte Castro.

Dass bereits am Mittwoch die Offensiv-Wirbler aus Leipzig auf die Stuttgarte­r warten, RB zudem nach der Europa-League-Niederlage gegen Salzburg, Ralf Rangnicks Manöverkri­tik und dem mäßigen Ligastart einiges wiedergutm­achen möchte, ist da durchaus einkalkuli­ert. Selbst wenn es gegen RB und danach Bremen die nächsten Dämpfer setzen sollte, will man nicht in alte Hektikmust­er verfallen beim VfB.

„Am besten wären natürlich sechs Punkte, aber die Bundesliga ist kein Wunschkonz­ert“, meinte Castro. Und auch Reschke übt sich im neuen Stuttgarte­r Understate­ment: „Jetzt fahren wir nach Leipzig, und dann geht es gegen Bremen. Das sind Spiele, in denen wir punkten können, aber es wird schwierig. Wir müssen nun einfach Zuversicht haben.“

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FOTO: IMAGO In der Mannschaft stimmt es – Mario Gomez (Mi.) und Nicolas Gonzalez (re.) sind dennoch bedient.

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