Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Geflüchtete erzählen von Syrien
Buchvorstellung „Meine traurige Heimat“- Schriftstellerin hat Erzählprojekt initiiert
RAVENSBURG (sz) - „Meine traurige Heimat war das schönste Land der Welt. Jetzt ist es das Unglücklichste.“Mit diesem Satz beginnt ein junger Syrer seine Präsentation über Aleppo in einem B2-Sprachkurs in Ravensburg Anfang 2017. Er wurde zum Titel eines Erzählprojekts, das die Schriftstellerin Katrin Seglitz initiiert hat, und das am Donnerstag, 27. September, im Kornhaussaal um 20 Uhr vorgestellt wird. Die Schüler hatten das Bedürfnis, mehr zu erzählen, und Katrin Seglitz hatte das Bedürfnis, das Gehörte anderen Menschen zugänglich zu machen. Sie startet ein Erzählprojekt – die entstandenen Texte sind in einem Buch versammelt.
Das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris gilt als Wiege der Menschheit, hier wurde die erste Schrift entwickelt, hier entstanden die ersten Hochkulturen. Wenn es in Syrien regnet, findet man immer noch Schätze auf den Feldern. Auch davon ist die Rede in den Gesprächen, die Katrin Seglitz festgehalten hat. Erzählt wird von den Aufständen im März 2011, die getragen waren von der Hoffnung auf Reformen und von dem Umschlagen der Aufstände in einen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung.
Es ist die Rede von den Wänden, die in Syrien Ohren hatten, aber auch von den Süßspeisen, die an Ramadan gegessen werden. Eine Lehrerin berichtet von ihrem Alltag in Aleppo und ein Arzt von seiner Arbeit in kleinen türkischen Krankenhäusern in der Nähe der syrischen Grenze. Er behandelte Menschen aus Idlib und den grenznahen Kriegsgebieten.
Man erfährt, warum der Mittwoch ein besonderer Tag in Homs ist, vom Widerstand gegen die Eroberung durch die Mongolen im 13. Jahrhundert und von der Belagerung durch die Armee des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Es wird von verstörenden Erfahrungen erzählt, aber auch von den Mythen und Geschichten, die in den syrischen Familien erzählt werden.
Mitte März 2018 sprach Katrin Seglitz mit einem ehemaligen Bewohner von Duma in Ost-Ghouta. Er hatte seinen Sohn mitgebracht, der schon ganz gut Deutsch spricht. Als sie den Jungen fragte, was er sich zu seinem bevorstehenden sechzehnten Geburtstag wünsche, sagte er, ohne auch nur einen Moment lang zu überlegen: „Frieden in Syrien.“Am Donnerstag besteht die Möglichkeit, mehr zu erfahren – nicht über die Syrer, sondern von ihnen.