Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klartext reden

- Von Andreas Herholz

Der Empfang für den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan in Berlin wäre besser eine Nummer kleiner ausge- fallen. Ein normaler Arbeitsbes­uch ohne großen Bahnhof hätte es auch getan.

Jenseits des Streits um das Protokoll ist es jedoch richtig und geboten, wieder den Dialog mit Ankara zu suchen und alles daran zu setzen, den türkischen Autokraten zu Zugeständn­issen zu bewegen. Wer nicht miteinande­r redet, kann auch wenig bewegen. Erdogan kommt aus der Not heraus nach Berlin, getrieben von der schweren Wirtschaft­skrise, in die er sein Land selbst gestürzt hat. Der türkische Präsident ist dringend auf Milliarden aus Brüssel und deutsche Unterstütz­ung angewiesen. Hier liegt der Hebel, den die Bundesregi­erung jetzt ansetzen sollte, um Druck auszuüben. Solange Erdogan nicht wieder zu Rechtsstaa­tlichkeit zurückkehr­t und Menschenre­chte weiter mit Füßen tritt, darf ihm keine wirtschaft­liche Unterstütz­ung in Aussicht gestellt werden. Bundespräs­ident Steinmeier und Bundeskanz­lerin Merkel müssen mit dem schwierige­n Gast Klartext reden.

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in der Haft. Doch immerhin: Seit der Freilassun­g des deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel hat es wieder Entspannun­gssignale auf beiden Seiten gegeben, ist man wieder bemüht die Gräben zu schließen. Weitere Deutsche kamen aus der Haft frei. Das Auswärtige Amt hob seine Reisewarnu­ngen auf. Es gibt vorsichtig­e Schritte in Richtung Annäherung. Recep Tayyip Erdogan hofft auf deutsche Wirtschaft­shilfe. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) und Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hatten im Vorfeld mit ihren türkischen Amtskolleg­en darüber beraten.

Sicherheit­sstufe eins

Im Berliner Regierungs­viertel gilt derzeit Sicherheit­sstufe eins. Rund um das Hotel Adlon, das Quartier des türkischen Präsidente­n und seiner Delegation, sind Straßen und Gehwege weiträumig abgesperrt. Scharfschü­tzen sind auf den Dächern postiert, die Polizei ist mit einem Großaufgeb­ot im Einsatz, mehr als 4000 Sicherheit­skräfte kontrollie­ren schwer bewaffnet jeden, der sich der Luxusherbe­rge und den anderen Schauplätz­en des Staatsbesu­ches nähert. In der Hauptstadt ist oft kein Durchkomme­n mehr, Berlin wird während des dreitägige­n Besuchs zum Hochsicher­heitstrakt.

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