Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Haus, das sich selbst versorgen kann
Ehepaar Roesch braucht in seinem Zuhause in Berg weniger Energie als andere
RAVENSBURG/BERG - Wer heute ein Haus baut, darf keine Energieschleuder in die Landschaft setzen. Dafür sorgen die Vorgaben der sogenannten Energieeinsparverordnung. Weit über die Mindeststandards ist Rudi Roesch (67) gegangen: Er hat in Berg ein Haus gebaut, das sich selbst mit Strom versorgt. „Die Unabhängigkeit, die man in diesem Haus hat, gibt uns ein beruhigendes Gefühl“, sagt seine Frau Edda (65).
Dass die beiden in ihren 60ern noch ein neues Heim gebaut haben, hatte in erster Linie mit dem Wunsch zu tun, im Alter auf einer Ebene zu wohnen. Und diese Chance wollte Rudi Roesch nutzen: „Für mich war von vornherein klar, dass ich ein Haus möchte, das sich möglichst selbst versorgt“, sagt er. Roesch bezeichnet sich selbst als energieaffin – er war 20 Jahre lang kaufmännischer Geschäftsführer des WasserturbinenHerstellers Andritz Hydro, vor rund fünf Jahren schied er nach eigenen Angaben aus und begann mit der Planung des neuen Hauses.
Roesch hatte in seinem alten Haus einen stinkenden Heizöltank im Keller, stellte dann auf Gasheizung um. „Wir wollten das aber auch nicht auf Dauer“, sagt er. Gründe für die Abkehr von den konventionellen Heizungen sei das Auf und Ab des Preises gewesen, aber auch eine gewisse Unsicherheit, die von der politischen Lage und den Beziehungen zu den Lieferanten von Öl oder Gas abhängt, wie er sagt. „Wir wollten gefühlte Versorgungssicherheit.“Die gibt ihm jetzt die Solaranlage auf dem Dach. „Wir haben hier nur ein einziges Energiemedium, das ist Strom“, sagt Roesch. Vor allem die Wärmepumpe, die Heizenergie aus dem Erdreich nach oben befördert, benötige viel Strom. Eine Erdwärmebohrung reicht 108 Meter unter dem Haus in die Tiefe. Roesch war bei der Planung des neuen Hauses auf das Förderprogramm „40 Plus“der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gestoßen. „40 Plus“bedeutet laut KfW, dass das Haus in einem Jahr nur 40 Prozent der Primärenergie eines vergleichbaren Referenzhauses benötigt. Die Energie wird vor allem durch besonders gute Dämmung und durch eigene Wärme- und Stromgewinnung eingespart.
Holzhaus mit Zelluloseschnipseln
Man sieht es dem Haus nicht an, aber es handelt sich um ein Holzhaus. Die Wände bestehen aus einem zehn Zentimeter dicken Holzkern, auf den eine Art Fachwerk aufgeschraubt und wieder mit Holzplatten verschlossen wird. Die Hohlräume in der Wand, 25 Zentimeter tief, werden zur Dämmung mit Zelluloseschnipseln verfüllt. Am Ende wird alles verputzt, vom Holz ist nichts mehr zu sehen.
Das Gebäude geht bei der Energieversorgung allerdings rein rechnerisch in Richtung Autarkie. Denn wenn die Photovoltaikanlage mehr Strom liefert, als ein Speicher im Keller aufnehmen kann, werden Überschüsse ins Netz eingespeist. Und wenn im Haus mehr Energie gebraucht wird, als die Anlage liefert, wird Strom aus dem Netz bezogen. Die leistungsfähige Batterie im Keller zeigt auf einem Display bei der Besichtigung an, dass im Moment nur selbst hergestellter Strom verbraucht wird. Roesch wirkt bei diesem Anblick zufrieden. Er hat das Ziel, unterm Strich 70 Prozent seines Strombedarfs selbst zu produzieren. „Wenn ich das erreiche, bin ich zufrieden. Wenn es mehr ist, bin ich glücklich.“Ob es ihm gelingt, wird er erst nach dem ersten Jahr im Haus sagen können.
Aus Sicht der Verbraucherzentrale haben die Roeschs alles richtig gemacht. Sie empfiehlt nämlich, schon jetzt nach möglichst hohen Effizienzstandards zu bauen. „Wer sich heute beim Bau eines Hauses mit den Mindeststandards der Energieeinsparverordnung begnügt, läuft Gefahr, dass die neue Immobilie bereits kurz nach Fertigstellung bautechnisch überholt ist“, heißt es auf ihren Internetseiten. „Die Mehrkosten eines energetisch höherwertigen Neubaus sind oft gar nicht so hoch und lohnen sich, insbesondere bei steigenden Energiepreisen.“
Die Energieagentur Ravensburg versucht nach eigenen Angaben Bauherren für das Thema Energieeffizienz zu sensibilisieren. Roesch räumt ein, dass ein „40 Plus“-Haus teurer ist als ein konventionell gebautes. „Aber dass es sich nicht rentiert, stimmt nicht“, sagt er. Schließlich spielten auch weiche Faktoren eine Rolle beim Wohnen. Durch die Fußbodenheizung, gute Dämmung und automatische Belüftung entstehe ein besonderes Raumklima, das Gäste bemerken und dass er und seine Frau lieben. „Megelig“, nennt es Roesch. Einfach gemütlich.