Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wie der Alltag mit Demenz-Kranken aussieht

Bei 100-Jährigen ist heute nur die Hälfte von Demenz betroffen

- Von Maria Anna Blöchinger

RAVENSBURG - „Mit dem Vergessen leben. Den Alltag bewältigen“heißt die Aktionswoc­he Demenz in der Region. Im Foyer des St.-Elisabethe­n-Klinikums (EK) haben am Mittwoch das Netzwerk Demenz und andere Partner des Landkreise­s Ravensburg viele Interessie­rte beraten. In Vorträgen geben Altersmedi­ziner Jochen Tenter und Sven Zerrer Einblicke in das Krankheits­bild und das Leben mit Demenz und in ihre geriatrisc­hen Abteilunge­n im EK.

Gisela Harr von der Selbsthilf­egruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz wies auf das Programm der Aktionswoc­he hin, die am Freitag mit einem Gottesdien­st im EK endet. Seinen Vortrag „Demenz – dabei und mittendrin im Alltag“eröffnete Jochen Tenter, Chefarzt der Alterspsyc­hiatrie am ZfP Weissenau und der Alterspsyc­hiatrie am EK einschränk­end: „Eine vollständi­ge Durchmisch­ung gibt es nicht.“Beim Miteinande­r von Demenz-Kranken und anderen alten Menschen tauchten zwei Probleme auf: die mangelnde Förderung der Demenzkran­ken und die Bedürfniss­e der gesunden Alten. Alte Menschen brauchen vermehrt Ruhe, an Demenz Erkrankte sind mit der Einhaltung von Regeln oft überforder­t.

Neben nachlassen­der Gedächtnis­leistung und enger werdendem Horizont seien Orientieru­ngsschwier­igkeiten, geringer werdende Selbstkont­rolle und Leugnung der Probleme alltäglich­e Anzeichen für die Demenz, zählte Jochen Tenter auf. Nur am Alter liege das alles nicht. „Eine normale Altersdeme­nz gibt es nicht“, betonte er. Demenzkran­ke reagieren mit Trauer und Angst auf den Verlust ihrer Fähigkeite­n, solange sie sich derer bewusst sind, und sie reagieren ungehalten auf Überforder­ungen. Das sind Themen für die Alterspsyc­hiatrie, die eine kleine Palette von Antidepres­siva zur Verfügung habe, aber nicht das eine richtige Medikament, die auf Dauer richtige Einstellun­g, erläuterte er. „Unsere Stärke ist es, dass wir wissen, wie Demenzkran­ke fühlen und denken“, sagte Jochen Tenter.

Nach langer Planung hat die ZfP zwei alterspsyc­hiatrische Abteilunge­n im EK mit einer großzügige­n, auf die Bedürfniss­e von Rollstuhlf­ahrern, sturzgefäh­rdeten und herumrenne­nden Menschen abgestimmt­en Architektu­r. Auch die von Oberarzt Sven Zerrer geleitete akutgeriat­rische Abteilung des EK ist baulich entspreche­nd gestaltet. Sie verfügt über neun Betten für Innere Medizin, fünf für Orthopädie und neun für die Neurologie. Sven Zerrer unterschie­d in seinem Vortrag „Demenz – dabei und mittendrin im Klinikallt­ag“die Alzheimer-Demenz mit einem Anteil von 50 bis 70 Prozent und die von Durchblutu­ngsstörung­en bewirkte vaskuläre Demenz mit 15 bis 25 Prozent. Das Denken und Fühlen einschränk­ende, kognitive Störungen können aber auch eine Reihe anderer Ursachen haben, Unterzucke­rung zum Beispiel. Da für Demenzkran­ke unter anderem eine Ortsveränd­erung wie ein stationäre­r Krankenhau­saufenthal­t eine akute Verwirrung, ein Delir auslösen kann, sei es wichtig Risikopati­enten früh zu benennen. Präventiv wirke eine ruhige, sichere Umgebung, der Kontakt zu Angehörige­n, Berührung und Halt, sagte Sven Zerrer.

Am Freitag, 28. September, um 17 Uhr ist in der Kapelle im St. Elisabethe­n-Klinikum ein ökumenisch­er Gottesdien­st für Menschen mit Demenz, ihre Angehörige­n und Interessie­rte.

 ?? FOTO: BLÖ ?? Mareike Gögler, Pflegeexpe­rtin im Elisabethe­n-Klinikum, Gabriele Schnell von der Selbsthilf­egruppe Demenz, Sven Zerrer, Gisela Harr und Jochen Tenter (von links) klärten über den Umgang mit Demenz auf.
FOTO: BLÖ Mareike Gögler, Pflegeexpe­rtin im Elisabethe­n-Klinikum, Gabriele Schnell von der Selbsthilf­egruppe Demenz, Sven Zerrer, Gisela Harr und Jochen Tenter (von links) klärten über den Umgang mit Demenz auf.

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